Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge
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In Phasen der Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> in diskontinuierlichen Erwerbsverläufen kann das Engagement als „Überbrückung“ Bedeutung<br />
erhalten. Das Engagement wird dabei genutzt, um beruflich relevante Fähigkeiten zu erweitern, um Kontakte zu einem potenziellen<br />
Berufsfeld zu erhalten oder zu eröffnen <strong>und</strong> eventuell einen beruflichen Wiedereinstieg – zumeist auf dem Zweiten Arbeitsmarkt – vorzubereiten.<br />
Allerdings bleibt das Engagement dann in der Regel „eine Second-best-Variante“, eine Lösung zweiter Wahl, die im Falle<br />
einer neuen Erwerbsarbeit zur Disposition steht.<br />
Und als fünfte Variante arbeitet Ulrike Schumacher ein Muster heraus, dass sie als „alternative Aufgabe“ kennzeichnet. In der Phase<br />
des Ruhestands, nach einem erfolgreich abgeschlossenen Arbeitsleben oder auch in der so genannten „Empty-Nest-Phase“ kann das<br />
Engagement als Möglichkeit <strong>für</strong> eine sinnstiftende <strong>öffentliche</strong> Tätigkeit wahrgenommen werden.<br />
Zusammenhänge zwischen Erwerbsarbeit <strong>und</strong> Engagement lassen sich also in verschiedener Hinsicht beobachten: in den Bedingungen<br />
der Arbeitswelt, die auch das Engagement beeinflussen, auf der empirisch-statistischen Ebene <strong>und</strong> auf der individuellen Ebene in der<br />
Art <strong>und</strong> Weise, wie die Engagierten Erwerbsarbeit <strong>und</strong> Engagement miteinander kombinieren. Aus diesen Zusammenhängen lässt sich<br />
aber keineswegs ableiten, dass sich das Engagement aus der Erwerbsarbeit erklären lässt oder dass die Erwerbsarbeit das Engagement<br />
determiniert. Es gibt zwar Zusammenhänge zwischen Erwerbsarbeit <strong>und</strong> bürgerschaftlichem Engagement <strong>und</strong> die gilt es auch, in<br />
Zukunft genauer zu betrachten <strong>und</strong> bei politischen <strong>und</strong> organisatorischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Zugleich ist das Engagement<br />
aber ein eigenständiger Bereich, der sich sowohl von der Erwerbsarbeit als auch von Familientätigkeiten unterscheidet <strong>und</strong> über<br />
einen Eigensinn verfügt.<br />
II. Eigenständigkeit <strong>und</strong> Eigensinn bürgerschaftlichen Engagements<br />
Dieser Eigensinn des Engagements ergibt sich vor allem aus seinem normativen Gehalt als Aktivität engagierter Bürgerinnen <strong>und</strong><br />
Bürger. Das bürgerschaftliche Engagement ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine freiwillige, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtete,<br />
gemeinwohlorientierte Tätigkeit ist, mit der sich Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger im <strong>öffentliche</strong>n Rahmen <strong>für</strong> das Gemeinwesen<br />
engagieren (vgl. Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ 2002: 73 ff.). Der Begriff des bürgerschaftlichen<br />
Engagements verweist darauf, dass die Engagierten damit ihre Rolle als Bürgerin bzw. Bürger in einem politischen Gemeinwesen wahrnehmen.<br />
Auch wenn die Engagierten dies nicht selbst so fomulieren, übernehmen sie mit einem Engagement als Bürger gesellschaftliche<br />
Verantwortung <strong>und</strong> gestalten damit das Gemeinwesen mit. Sicherlich sind die Gestaltungs- <strong>und</strong> Entscheidungsmöglichkeiten in<br />
den einzelnen Engagementbereichen <strong>und</strong> bei den jeweiligen Tätigkeiten durchaus unterschiedlich ausgeprägt. Kernelement eines<br />
bürgerschaftlichen Engagements – wenn es nicht nur ein Engagement zur Durchsetzung eigener partikularer Interessen ist – ist aber die<br />
damit verb<strong>und</strong>ene Beteiligung <strong>und</strong> Mitgestaltung des Gemeinwesens. Die Engagierten übernehmen dabei Verantwortung <strong>für</strong> <strong>öffentliche</strong><br />
Angelegenheiten <strong>und</strong> schließen sich dazu mit anderen in Form von <strong>Verein</strong>en, Gruppen oder Initiativen zusammen. Auch wenn sich die<br />
Formen der Selbstorganisation <strong>und</strong> die Möglichkeiten der Mitgestaltung in den verschiedenen Organisationen <strong>und</strong> Tätigkeitsbereichen<br />
durchaus unterschiedlich gestalten, kommt hier ein weiteres Kernelement bürgerschaftlichen Engagements zum Vorschein: sein Charakter<br />
als weitgehend selbstorganisierte Tätigkeit aktiver Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger, mit der diese sich <strong>für</strong> die Bewältigung von Problemen<br />
in ihrem Gemeinwesen einsetzen <strong>und</strong> dabei gesellschaftliche Abläufe mitgestalten. In diesem Strukturelement bürgerschaftlichen<br />
Engagements können durchaus Konfliktpotenziale angelegt sein, wenn die Bürger dabei auf Probleme verweisen <strong>und</strong> Bearbeitungsvorschläge<br />
entwickeln, die tradierten Abläufen oder etablierten Interessen widersprechen. Zugleich ist in diesem Merkmal der Verantwortungsübernahme<br />
<strong>und</strong> der Mitgestaltung aber auch ein innovatives Potenzial angelegt, indem eingefahrene Wege <strong>und</strong> Routinen in<br />
Frage gestellt werden, auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam gemacht wird <strong>und</strong> neue Problemlösungen entwickelt werden.<br />
Der Eigensinn des bürgerschaftlichen Engagements ergibt sich aus seinem Potenzial, damit die Rolle als Bürgerin bzw. als Bürger wahrnehmen<br />
zu können <strong>und</strong> sich <strong>für</strong> gesellschaftliche Belange zu engagieren. Dies erfolgt – im Unterschied zur Erwerbsarbeit – ohne den<br />
Zwang, mit diesem Engagement das eigene Einkommen zu sichern, setzt allerdings ein Einkommen aus Erwerbsarbeit oder staatlichen<br />
Transferzahlungen voraus. Der Zugang zu einem Engagement steht prinzipiell allen Bürgern offen – unabhängig von beruflichen Kompetenzen<br />
oder finanziellen Ressourcen. Auch wenn viele Engagierte berufliche Qualifikationen in ihr Engagement einbringen, ist dies<br />
nicht die Zugangsvoraussetzung zu einem Engagement.<br />
Resümierend lässt sich feststellen, dass Engagement <strong>und</strong> Erwerbsarbeit zwei unterschiedliche Bereiche darstellen, zwischen denen es<br />
zwar vielfältige Bezüge <strong>und</strong> Zusammenhänge gibt, die aber aufgr<strong>und</strong> ihrer unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionen zwei<br />
unterschiedliche Bereiche darstellen. Das bürgerschaftliche Engagement bildet dabei sozusagen die dritte Säule neben Erwerbsarbeit<br />
<strong>und</strong> Familie <strong>und</strong> ist ein eigenständiger Bereich mit eigenen Organisationsstrukturen <strong>und</strong> Handlungslogiken.<br />
III. Schlussbemerkungen<br />
Die Zusammenhänge zwischen Engagement <strong>und</strong> Erwerbsarbeit werden in den nächsten Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren.<br />
Da<strong>für</strong> sprechen die Entwicklungen am Arbeitsmarkt mit den Veränderungen in der Arbeitswelt <strong>und</strong> der zunehmenden Frauenerwerbstätigkeit,<br />
die sich auch auf das bürgerschaftliche Engagement auswirken werden. Für die Aktualität der Debatte um Engagement <strong>und</strong><br />
Erwerbsarbeit <strong>und</strong> ihr – so vermute ich – zunehmend spannungsreicheres Verhältnis sprechen des Weiteren die anhaltend hohe<br />
Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> die Entwicklung im europäischen Kontext. In einigen europäischen Ländern wie Großbritannien <strong>und</strong> den Niederlanden<br />
wird das Engagement bereits heute im Rahmen sozialpolitischer Programme als arbeitsmarktpolitisches <strong>und</strong> kontrollierendes<br />
Instrument eingesetzt <strong>und</strong> zielt insbesondere auf die Gruppen von Arbeitslosen, die kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.<br />
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