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Workshop 1.6 - Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge

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3. Ordnungspolitische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Auch die künftigen sozialpolitischen Veränderungen werden durch heftige Diskussionen begleitet. Aktuelle Beispiele da<strong>für</strong> sind der<br />

Kündigungsschutz <strong>und</strong> die Änderungen bei Arbeitslosengeld <strong>und</strong> Arbeitslosenhilfe.<br />

Unterschiedliche Interessenlagen sind nicht vermeidbar. Das ist zu akzeptieren. Denn der geregelte Konflikt auf demokratischer Basis<br />

gehört ebenso zu einer offenen Gesellschaft wie der Konsens.<br />

Für die Akzeptanz des Sozialstaates sind aber zwei wichtige Voraussetzungen notwendig.<br />

Erstens ist ein gesellschaftlicher Gr<strong>und</strong>konsens über die Notwendigkeit <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>linien der Weiterentwicklung der sozialen<br />

Sicherung notwendig. Mit einer Verteidigung von Besitzständen kommen wir nicht weiter. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um<br />

langfristige <strong>und</strong> besonders schwer wiegende Änderungen geht.<br />

Dass dies möglich ist, konnte bei der Diskussion über die Rentenreform 2001 beobachtet werden. Zwar waren die Details heftig umstritten.<br />

Im Gr<strong>und</strong>satz bestand jedoch Einvernehmen, dass das Umlagesystem durch eine <strong>private</strong> Eigenvorsorge ergänzt werden muss.<br />

Zweitens ist ein ordnungspolitischer Rahmen <strong>für</strong> eine ziel- <strong>und</strong> ergebnisorientierte Weiterentwicklung des Sozialstaates notwendig.<br />

Er ist zwar kein Instrument zur Auflösung jedweder Zielkonflikte. Er kann aber die Diskussion versachlichen <strong>und</strong> die Veränderungsprozesse<br />

transparenter machen.<br />

Die Modernisierung des Sozialstaates sollte sich deshalb auf einem klaren Bekenntnis zu einer werteorientierten Sozialpolitik<br />

vollziehen. Die Gr<strong>und</strong>prinzipien der christlichen Sozialethik <strong>und</strong> auch die Gr<strong>und</strong>sätze der sozialen Marktwirtschaft sind eine feste<br />

Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die künftigen Aufgaben.<br />

In diesem Sinn bestimmen Leistung <strong>und</strong> Wirtschaftlichkeit, soziale Gerechtigkeit <strong>und</strong> Subsidiarität, Wettbewerb <strong>und</strong> Solidarität,<br />

Eigenverantwortung <strong>und</strong> soziale Sicherheit den künftigen Rahmen.<br />

4. Verantwortung des Individuums<br />

Gr<strong>und</strong>lage, Träger <strong>und</strong> Ziel aller gesellschaftlichen Strukturen muss der Mensch sein. In einem auf Freiheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit<br />

basierenden Gemeinwesen ist jeder – ob als Einzelner oder als Gruppe – <strong>für</strong> das Wohl der anderen mitverantwortlich.<br />

Solidarität zwischen Jung <strong>und</strong> Alt, Arm <strong>und</strong> Reich, Krank <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong> ist unverzichtbarer Bestandteil einer humanen Gesellschaftsordnung.<br />

Der Sozialstaat ist den Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern gegenüber in der Pflicht, wenn es um die Sicherung ihrer existenziellen<br />

Lebensbedingungen geht.<br />

Sozialstaat bedeutet aber nicht Nivellierung <strong>und</strong> die Übernahme persönlicher Verantwortung von Staats wegen. Ebenso wenig ist er ein<br />

unerschöpfliches Füllhorn zur Abdeckung aller Sicherungsbedürfnisse.<br />

Freiheitlicher Sozialstaat bedeutet im Gegenteil, dass der Einzelne Verantwortung <strong>für</strong> sich selbst übernehmen muss. Der Staat muss<br />

auch ausreichend finanziellen Freiraum lassen, damit die persönliche Lebensplanung verwirklicht werden kann.<br />

Was der Einzelne aus eigener Initiative <strong>und</strong> aus eigenen Kräften zu leisten imstande ist, darf seiner unmittelbaren Verantwortung nicht<br />

entzogen werden. Wo der Einzelne allerdings der solidarischen Hilfe bedarf, muss diese zur Verfügung gestellt werden.<br />

Das bedeutet in der Konsequenz aber eben auch, dass der Beitrag des Einzelnen zu seiner sozialen Sicherheit nicht konstant bleiben<br />

kann. Die äußeren Rahmenbedingungen machen vielmehr ein stetiges Anpassen der Finanzierungsbeiträge des Staates, der Sozialversicherungen<br />

<strong>und</strong> des Einzelnen erforderlich. Dabei darf nicht übersehen werden, dass letztlich auch die Finanzierungsanteile des<br />

Staates <strong>und</strong> der Wirtschaft im Großteil von den Arbeitnehmerinnen <strong>und</strong> Arbeitnehmern erwirtschaftet werden müssen.<br />

Der Belastbarkeit der Einkommen mit Sozialversicherungsbeiträgen <strong>und</strong> Steuern sind allerdings Grenzen gesetzt, die derzeit schon<br />

erreicht sind.<br />

Es stellt sich deshalb auch die Frage, ob das Niveau der sozialen Absicherung unter den geänderten Rahmenbedingungen gehalten werden<br />

kann. Oder anders formuliert: Was ist den Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern ihre soziale Absicherung wert? Diese Frage soll jeder ein Stück<br />

weit in eigener Verantwortung entscheiden.<br />

Aufgabe des Staates ist es, die unterschiedlichen Interessen in der Gesellschaft zu koordinieren <strong>und</strong> gerecht auszugleichen. Die soziale<br />

Absicherung muss den gesamtpolitischen Realitäten auch unter Finanzierungsgesichtspunkten Rechnung tragen.<br />

Sozialpolitik kann dabei nicht nur auf Expansion ausgerichtet sein. Unter schlechten wirtschaftlichen <strong>und</strong> finanziellen Voraussetzungen<br />

kann der Staat nicht ein gleich bleibend hohes Maß an sozialer Infrastruktur <strong>und</strong> sozialer Absicherung organisieren wie unter<br />

Wachstumsbedingungen.<br />

Diejenigen, die meinen, der Staat könne <strong>und</strong> müsse ein konstant hohes Absicherungsniveau garantieren, mögen dies als „Abbau des<br />

Sozialstaats“ bezeichnen. Wer die Wirklichkeit sieht <strong>und</strong> bereit ist sie zu akzeptieren, wird demgegenüber entsprechend den Notwendigkeiten<br />

handeln müssen. Er wird versuchen, den Sozialstaat durch Veränderung zu bewahren.<br />

5. Schluss<br />

Meine sehr geehrten Damen <strong>und</strong> Herren, ich wünsche dem 76. Deutschen <strong>Fürsorge</strong>tag in Freiburg einen erfolgreichen Verlauf.<br />

Sozialstaat ist keine Konstante, sondern verändert sich mit gesellschaftlicher Entwicklung.<br />

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