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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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155<br />

SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFTEN<br />

legitimierten sie sich als integraler Bestandteil der lateinamerikanischen<br />

Kultur. Zeitgleich erlebte die sephardische Tradition bei den<br />

Intellektuellen auch der alten Welt eine markante Aufwertung (u. a.<br />

wegen der Synthese von Glauben und Vernunft, an der Sepharden-<br />

Philosophen wie Maimonides gearbeitet hatten). Im kollektiven Gedächtnis<br />

aller Juden wurde Sefarad sogar ansatzweise mythisiert,<br />

nämlich als jene singuläre Gegebenheit in der europäischen Geschichte,<br />

die Juden, Mauren und Christen in einem friedlichen und<br />

kulturell äußerst fruchtbaren Zusammenleben jahrhundertelang vereinte.<br />

Diesen Tatsachen zufolge kam es in Lateinamerika im 19. Jahrhundert<br />

zu einer – von der Forschung bereits festgestellten – „Resephardisierung“<br />

bzw. einem „Neosephardismus“. Bis heute ist die Orientierung<br />

an der sephardischen Tradition ein zentraler Topos des Identitätsdiskurses<br />

der jüdischen Literatur, insbesondere in Argentinien.<br />

Sefarad fungiert dabei heute als historisches Leitbild für ein multikulturelles<br />

Zusammenleben in den heutigen Gesellschaften Lateinamerikas,<br />

als historische Folie zur Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen<br />

Antisemitismus, als thematisches Forum für eine<br />

grundsätzliche Auseinandersetzung mit jüdischer Identität in der<br />

Gegenwart. Eine entscheidende Erweiterung erfährt die Sepharad-<br />

Thematik im 20. Jahrhundert, als jüdisch-lateinamerikanische Autoren<br />

vor Antisemitismus oder argentinischer Diktatur nach Spanien<br />

ins Exil fliehen und dort dem Erbe der sephardischen Kultur unmittelbar<br />

begegnen.<br />

Das Projekt wird die Bedeutung und Funktion der sephardischen<br />

Traditionen im Identitätskurs der jüdischen Literatur Lateinamerikas<br />

erhellen und damit einen Beitrag zur Erforschung der kulturellen<br />

Identität Lateinamerikas insgesamt leisten. Materialbasis wird eine<br />

große Bandbreite von bislang weitgehend unerschlossenen Quellen<br />

sein: fiktionale und nichtfiktionale Literatur der „Gründerväter“ des<br />

sephardischen Identitätsdiskurses in Lateinamerika, argentinische<br />

Zeitschriften; Werke repräsentativer nichtjüdischer Autoren Argentiniens/Lateinamerikas,<br />

die sich mit der sephardisch-spanischen Thematik<br />

auseinandersetzten; der Neosephardismus im Œuvre neuerer<br />

und neuester aschkenasischer und sephardischer Autoren/innen,<br />

auch derjenigen, die seit den 70er Jahren nach Spanien auswanderten.<br />

Für die Erstellung einer kommentierten, wissenschaftlichen Ausgabe<br />

aller Briefe von und an Franz Kafka erhält Prof. G. Neumann, Institut<br />

für deutsche Philologie, Universität München, erneut Fördermittel<br />

der <strong>Stiftung</strong>.<br />

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, durch die Edition aller Briefe<br />

von und an Franz Kafka die Arbeit an der Kritischen Kafka-Ausgabe<br />

zum Abschluss zu bringen. Bisher konnten die Abteilungen „Schriften“<br />

und „Tagebücher“ im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

geförderten Projekts beendet werden.<br />

F. Kafka

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