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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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Hutterische<br />

Handschriften<br />

THEOLOGIE UND RELIGIONSWISSENSCHAFT 28<br />

„Konkurrenzfälle“ – Ursachen und Ablauf des Niedergangs der Indexkongregation<br />

seit dem Pontifikat Klemens’ VIII. (1592–1605) zu<br />

erhellen bzw. nachzuzeichnen versucht.<br />

Der Katalogisierung der in Europa befindlichen hutterischen Handschriftenkodizes<br />

des 16.–18. Jahrhunderts dient ein von der <strong>Stiftung</strong><br />

gefördertes Projekt von Prof. G. Seebaß (Wissenschaftlich Theologisches<br />

Seminar, Universität Heidelberg).<br />

Die Hutterischen Brüder, die aus Mähren und Oberungarn vertrieben,<br />

über Südrußland schließlich in die Vereinigten Staaten und Kanada<br />

kamen und sich nur dort noch heute finden, sind eine der Gruppen<br />

des 16. Jahrhunderts, die eine intensive Christlichkeit der Gesamtgesellschaft<br />

erstrebten, dann aber dieses Ideal, da es sich schon<br />

damals nicht mehr verwirklichen ließ, auf die kleine Gruppe zurücknahmen.<br />

Weil sie im Begehren die Ursünde des Menschen sahen,<br />

verlangten sie über die Erfüllung der Bergpredigt hinaus ein strikt<br />

kommunitäres Leben ohne jedes Eigentum.<br />

In ihren ,goldenen Jahren‘ in Mähren während der zweiten Hälfte<br />

des 16. und der ersten des 17. Jahrhunderts, in denen sie als Landwirte<br />

und Handwerker, aber auch als Ärzte vom mährischen Adel<br />

geduldet und gefördert wurden, schufen sie – da ihnen der Druck<br />

selten möglich war – eine Fülle von Handschriften, die der persönlichen<br />

Erbauung und ihren Predigern dienen sollten. Dabei entwickelten<br />

sie nicht nur eine bedeutende kalligraphische Tradition, sondern<br />

auch eine charakteristische Buch- und Einbandkunst. Große, zusammenhängende<br />

Schriften wie Kommentare zu biblischen Büchern<br />

oder die Chroniken über die Entstehung der Hutterischen Brüder<br />

sind allerdings selten. Meist handelt es sich um umfangreiche Sammelhandschriften:<br />

In den Epistelbüchern findet sich eine reiche Briefüberlieferung,<br />

in den Liederhandschriften die Sammlung der bis<br />

heute in ihren Gottesdiensten gebrauchten Lieder. Daneben gibt es<br />

auch eine Fülle von Abschriften kleinerer Werke von Autoren der ersten<br />

Hälfte des 16. Jahrhunderts, die aus dem Umkreis der Täufer<br />

und mystischen Spiritualisten stammen. Mathematisch-technische<br />

und medizinisch-alchemistische Texte sind selten. Insgesamt stellen<br />

diese Handschriften einen in dieser Form einmaligen geschlossenen<br />

Bestand von Quellen zu einem ganz eigenen Teil europäischer Kulturgeschichte<br />

dar.<br />

Teilweise werden die Originalhandschriften des 16. und 17. Jahrhunderts<br />

oder deren spätere Abschriften heute noch auf den ,Bruderhöfen‘<br />

der Hutterer in den USA und Kanada benutzt, ohne dass es<br />

bisher eine konsequente Inventarisierung gäbe. In Europa finden<br />

sich vor allem die Handschriftenbände, die – bei immer wiederholten<br />

Konfiskationen nach dem Ende der Toleranz im 17. und 18. Jahrhundert<br />

eingezogen oder auf anderen Wegen – in die Archive und Bibliotheken<br />

gelangten. Sie erstmals vollständig zu erfassen, in einem<br />

Katalog zu beschreiben und der weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung<br />

bereitzustellen, ist Ziel des Projekts.

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