02.12.2012 Aufrufe

Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BRD<br />

Ost-West-<br />

Konflikt<br />

1968 – 1972<br />

Im Ergebnis wird deutlich, dass die redaktionellen Zensurpraktiken<br />

zwar methodisch betrachtet kontinuierlich evolutionierten und verfeinert<br />

wurden, dass es aber immer wieder auch Rückgriffe auf die<br />

brachialen Methoden der Stalin-Zeit gab. Vor allem wenn es um die<br />

Geheimnisse des GULAG ging, nahm man offensichtliche Widersprüche<br />

und peinliche Eklats in Kauf. So konnte erstmals nachgezeichnet<br />

werden, wie in Verhandlungen mit Moskau im Vorfeld des<br />

„Kahlschlagplenums“ von 1965 Sprachregelungen und editorische<br />

Standards festgeschrieben wurden, die bis 1985 einen restriktiven<br />

Umgang mit der Stalin-Zeit determinierten.<br />

Die Durchsetzung solcher Tabumechanismen und Sprachregelungen<br />

war dabei nicht nur Angelegenheit der Zensurstellen, sondern erfolgte<br />

über autorisierte parteigeschichtliche Leittexte wie vor allem<br />

die achtbändige „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“.<br />

Deshalb werden nicht nur die Diskurse und Zensureingriffe geschildert,<br />

die der Entstehung des Leittextes vorausgingen, sondern auch<br />

dessen parteiöffentliche Durchsetzung, Kanonisierung und Breitenwirkung.<br />

Die Auflagenhöhe des Achtbänders betrug z. B. über eine<br />

Million und jedes SED-Mitglied wurde vier Jahre lang im Parteilehrjahr<br />

damit geschult. Die Texte der Hochschullehrbücher, die Lehrpläne<br />

der Schulen, das Fernsehprogramm und die Gestaltung der<br />

Museen wurden entsprechend dem „Achtbänder“ umgemodelt, die<br />

DDR gleichsam in ein großes Freilichtmuseum zur Geschichte der<br />

Arbeiterbewegung ausgebaut.<br />

Nach dem Sturz Walter Ulbrichts wurde auch dessen „Heilige<br />

Schrift“ in ihren deutschlandpolitischen Kernthesen außer Kraft gesetzt.<br />

Deshalb endet der Text mit der Reflexion des mit dieser Selbstdemontage<br />

verbundenen Verlustes an Glaubwürdigkeit bei der eigenen<br />

Mitgliederbasis. Honeckers Nachfolgeprojekt einer ähnlich<br />

voluminösen „Geschichte der SED“ gelangte nicht mehr über den<br />

kurz vor der „Wende“ erschienenen ersten Band und das Jahr 1917<br />

(!) hinaus.<br />

Prof. G. Niedhart (Seminar für Neuere Geschichte, Universität<br />

Mannheim) wurden <strong>Stiftung</strong>smittel für das Forschungsvorhaben<br />

„Die Bundesrepublik Deutschland im Ost-West-Konflikt 1968–1972;<br />

ihre Rolle im Westen und ihre ostpolitischen Ziele“ bereitgestellt.<br />

Nach dem mit der Überwindung der Kuba-Krise 1962 einsetzenden<br />

Vorlauf trat der Ost-West-Konflikt Ende der sechziger Jahre in eine<br />

Phase der Entspannung ein. Alte Formen der Konfrontation standen<br />

von nun an neben Bemühungen, in Verhandlungen zu einer Entspannung<br />

zwischen den Blöcken zu kommen. Von 1968 bis 1972 erfolgte<br />

der Übergang von der konzeptionellen Verdichtung der Entspannungspolitik<br />

zu einzelnen operativen Schritten und ersten Ergebnissen<br />

dieser Politik:<br />

– Moskauer und Warschauer Vertrag,<br />

– Grundlagenvertrag mit der DDR, SALT I,<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 78

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!