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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN<br />

Die 2.400 Seiten umfassende Chronik des Augsburgers Georg Kölderer<br />

entstand an einer Nahtstelle europäischer, insbesondere südund<br />

mitteleuropäischer Kommunikation. Sie zeichnet sich durch eine<br />

überdurchschnittliche Breite der Wahrnehmung und Erfassung vielfältiger<br />

Themen aus. Ihr Autor arbeitete als Handelsdiener bzw.<br />

–schreiber bei einem großen Augsburger Handelshaus. Hier erfuhr<br />

er im Rahmen der Korrespondenz zahlreiche Neuigkeiten aus dem<br />

In- und Ausland. Er hatte Zugang zu den Fugger-Zeitungen, außerdem<br />

standen ihm Flugschriften, Flugblätter und Bücher zur Verfügung.<br />

Über zahlreiche, häufig nur unzulänglich identifizierbare Bekannte<br />

erhielt er mündliche Informationen zu vielen Entwicklungen<br />

im politischen wie kirchlichen Bereich seiner Heimatstadt.<br />

Darüber hinaus spiegeln sich in seiner Chronik die Vorgänge im Reich<br />

im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges wider (z. B. politische Veränderungen,<br />

dynastische Querelen, bewaffnete Auseinandersetzungen,<br />

Konfessionsstreitigkeiten). Ebenso kommt die europäische Staatenwelt<br />

in den Blick. Päpste und türkische Sultane, italienische Fürsten und<br />

spanische Könige finden genauso Eingang in Kölderers Chronik wie<br />

Thronstreitigkeiten in Polen und die Auseinandersetzung Maria Stuarts<br />

und Elisabeths I. Diese Notizen werden breit ergänzt durch kulturhistorisch<br />

äußerst interessante Kommentare zu Körper-, Krankheits- und Todeserfahrungen,<br />

dem Hexenglauben und der Wunderwahrnehmung.<br />

Kölderers Schrift ist aber nicht nur eine additive Aufstellung erfahrener<br />

oder erlebter Vergangenheiten, sondern eine durchdachte<br />

Quelle. Der Chronist versteht es, die ihm übermittelten Nachrichten<br />

jeweils zu kontextualisieren, zu analysieren und zu werten. Dadurch<br />

entsteht ein Gesamtwerk, das die greifbaren Zeitläufe zu ordnen und<br />

ein kohärentes Weltbild zu konstruieren versucht, um die Welt im<br />

wahrsten Sinne des Wortes „lesbar“ zu machen.<br />

Die beschriebenen Charakteristika der Chronik Kölderers begründen<br />

einen hohen interdisziplinären Quellenwert, so dass neben der<br />

Geschichtswissenschaft und der allgemeinen Kulturforschung auch<br />

die Kommunikationswissenschaft, die Volkskunde, die Kunstgeschichte,<br />

Rechtsgeschichte, Kirchengeschichte und die Philosophie<br />

von ihrer Edition profitieren.<br />

Prof. A. Schindling (Historisches Seminar, Universität Tübingen) betreut<br />

das von der <strong>Stiftung</strong> geförderte Projekt „Geschwinde Welt“.<br />

Krieg und öffentliche Kommunikation – zur Erfahrung beschleunigten<br />

historischen Wandels im Heiligen Römischen Reich deutscher<br />

Nation in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts (1542–1554).<br />

Das Interesse des Forschungsvorhabens richtet sich auf die Phase der<br />

Reformation in Deutschland (1542–1554), die von einem Kontinuum<br />

militärisch ausgetragener Interessengegensätze bestimmt war.<br />

Am Anfang der Entwicklung stand die große militärische Aufrüstung<br />

der schmalkaldischen Bündner im Kontext der Frankfurter Religionsvergleichsgespräche<br />

im Frühjahr 1539, der sog. „Rumor“. Das stei-<br />

Krieg und<br />

Kommunikation<br />

16. Jh.

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