02.12.2012 Aufrufe

Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

7<br />

PHILOSOPHIE<br />

matischen Philosophie fördert sie die philosophieinterne Grundlagenforschung,<br />

beispielsweise die Erkenntnis- und die Gegenstandstheorie,<br />

die Moralbegründung und philosophische Ästhetik. Nicht<br />

weniger wichtig sind ihr Themen, die nach einer disziplinären Öffnung<br />

verlangen: in der theoretischen Philosophie, bei Themen wie<br />

Sprache, Bewusstsein und Geist, eine Öffnung zu den Neuro- und<br />

Kognitionswissenschaften; in der praktischen Philosophie, etwa bei<br />

Recht, Staat und Politik einschließlich ihrer globalen Perspektive,<br />

eine Öffnung zu den Rechts- und Sozialwissenschaften; und in der<br />

philosophischen Ästhetik nicht nur die Öffnung zur Literatur, sondern<br />

auch zu den bildenden Künsten, der Architektur und der Musik.<br />

Platons Ethik und ihr handlungsteleologischer Hintergrund ist Gegenstand<br />

eines durch die <strong>Stiftung</strong> unterstützten Forschungsvorhabens<br />

von Prof. Chr. Horn, Philosophisches Seminar, Universität Bonn.<br />

Ziel des Projekts ist es, Platons zahlreiche Äußerungen zu den Problemen<br />

der Moralphilosophie von einem gemeinsamen Hintergrund<br />

aus zu interpretieren: aus dem Blickwinkel einer Handlungsteleologie.<br />

Bei näherem Hinsehen sind deren Elemente bei Platon in erheblichem<br />

Umfang präsent, besonders in den Dialogen der Früh- und<br />

der Mittelperiode. Mit dem Ausdruck „handlungsteleologisch“ ist<br />

dabei die Auffassung gemeint, dass sämtliche Einzelhandlungen eines<br />

Individuums auf eine objektiv angebbare Zielstruktur ausgerichtet<br />

sind.<br />

Platons Ethik lässt sich demnach nur dann angemessen verstehen,<br />

wenn man ihre Grundlage in einer Theorie nicht-arbiträrer Ziele,<br />

Wünsche und Intentionen herausarbeitet. Ein solches Modell ist<br />

nicht mit einer Naturteleologie zu verwechseln: Naturteleologien behaupten<br />

eine übergreifende Zielausrichtung von Naturabläufen;<br />

Handlungsteleologien beruhen dagegen auf der Überzeugung,<br />

menschliches Handeln unterliege einer übergeordneten Zielstruktur.<br />

Jedes c besitzt nach dieser Auffassung eine natürliche Tendenz, in<br />

vollem Umfang dasjenige zu werden, was es idealiter heißt, ein c zu<br />

sein. Platonisch ausgedrückt: Jedes c will seinem eidos, seiner paradigmatischen<br />

Form, möglichst gleich werden und damit sein telos,<br />

seinen Zweck oder seine Funktion, bestmöglich erfüllen. Das Irritierende<br />

an einer solchen Konzeption dürfte für moderne Hörer darin<br />

liegen, dass wir uns allenfalls bei Artefakten, vielleicht noch bei Naturgegenständen<br />

einen solchen Begriff des „objektiv Guten“ vorstellen<br />

können: Was ein gutes Haus oder ein guter Tisch ist, würden wir<br />

an funktionalen Kriterien bemessen; ein Baum oder ein Hund wären<br />

– von funktionalen Aspekten einmal abgesehen – vielleicht je nach<br />

Gesundheit, Größe und Entwicklungsstand als mehr oder minder gut<br />

zu beurteilen. Anzugeben, was ein „Mensch in vollem Umfang“ oder<br />

ein „guter Mensch“ sein könnte, scheint uns dagegen kaum möglich,<br />

weil unsere Vorstellungen von menschlichen Entwicklungszielen zu<br />

stark voneinander abweichen.<br />

Platon

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!