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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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DDR<br />

Polit-<br />

Emigranten<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 76<br />

nach dem sowjetischen Parteitag durch eine Fülle von Diskussionen,<br />

Veröffentlichungen und Auseinandersetzungen mit der Politik und<br />

Ideologie der SED charakterisiert – als „Kampf gegen den Dogmatismus“<br />

–, ohne dass die politischen und ideologischen Grundlagen des<br />

Sozialismus in Frage gestellt wurden. An den Hochschulen und Universitäten,<br />

in den Redaktionen und Verlagen, bei Künstlern und<br />

Schriftstellern wurden der Führungsstil der SED, die Person des Ersten<br />

Sekretärs Walter Ulbricht und das allzu enge ideologische Korsett<br />

der Wissenschaften und Künste kritisiert und Vorschläge für eine<br />

Demokratisierung des Sozialismus unterbreitet. Diese Diskussionen<br />

führten schließlich – forciert durch Veränderungen im Nachbarland<br />

Polen (Aufstand in Poznan) und den ungarischen Volksaufstand – zu<br />

einer erneuten (nach 1953) schweren Krise an der Spitze der SED.<br />

Nach anfänglichen Schwankungen ging die Führung im Herbst 1956<br />

in die Offensive – als „Kampf gegen den Revisionismus“ – und begann,<br />

die missliebigen Kritiker durch Repressionen (Parteiausschluss,<br />

Entlassungen, Haft etc.) zumindest mundtot zu machen.<br />

Die Untersuchung zielt darauf, die wissenschaftspolitischen und<br />

ideologischen (darunter auch die philosophischen) Ereignisse seit<br />

der sogen. „Freiheitskonferenz“ (März 1956) bis zur III. Hochschulkonferenz<br />

der SED, dem V. Parteitag der SED und den Verhaftungen<br />

des Jahres 1958 nicht nur am Beispiel der bekanntesten „Fälle“ (Harich,<br />

Bloch, Havemann, Behrens, Kuczynski usw.), sondern in seiner<br />

ganzen Breite an den Universitäten und Hochschulen der DDR zu rekonstruieren<br />

sowie Inhalte, Mittel und Formen der Auseinandersetzungen<br />

zu analysieren. Ferner werden die verschiedenen Verhaltensweisen<br />

der Kritiker und Opfer im Kontext der neueren Diskussionen<br />

über „widerständiges Verhalten – Dissidenz – Opposition –<br />

Widerstand“ beurteilt. Schließlich sollen die Auswirkung der Disziplinierung<br />

der Intelligenz durch die SED auf Lehre und Forschung,<br />

die wissenschaftliche Literatur und die Anpassungsstrategien der<br />

Wissenschaftler, wie sie für die sechziger und siebziger Jahre prägend<br />

wurden, skizzenhaft dargestellt werden.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> unterstützt Prof. Chr. Kleßmann (Zentrum für Zeithistorische<br />

Forschung, Potsdam) bei dem Projekt „Die Polit-Emigranten“.<br />

Eine sozialhistorische Studie zu Fremde und Fremd-Sein in der DDR.<br />

Im Kalten Krieg bemühte sich die DDR-Regierung, durch die Aufnahme<br />

politisch Verfolgter – sog. Politischer Emigranten – aus den<br />

Diktaturen Südeuropas (Griechenland, Spanien), später Befreiungsbewegungen<br />

der zerfallenden Kolonialreiche und ab 1973 durch<br />

Flüchtlinge und politisch Verfolgte aus der Militärdiktatur Chile –<br />

außenpolitisches Profil und innenpolitische Legitimation als „Auswanderungsland<br />

DDR“ zu gewinnen. Diese Bedeutung konstrastierte<br />

scharf mit der individuellen Rechtlosigkeit von Ausländern in<br />

der DDR und deren Abhängigkeit von den außenpolitischen Interessen<br />

der SED-Führung, da kein einklagbarer Rechtsanspruch auf Asyl<br />

in der DDR existierte. Der ostdeutschen Bevölkerung wurden die Politemigranten<br />

als Freiheitskämpfer und „Objekte ihrer Solidarität“

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