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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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G. Kölderer<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 40<br />

in Konkurrenz trat zu den vielfältigen Beziehungsformen, die die<br />

weltlichen Großen des Kontinents zu praktizieren gewohnt waren.<br />

Der dauerhafte Erfolg des kirchlichen Ehemodells, das im Hochmittelalter<br />

erstmals massiv propagiert und durchgesetzt wurde und das<br />

bis in unsere Tage der soziale (und moralische) Standard geblieben<br />

ist, lässt leicht übersehen, dass die diversen mittelalterlichen Alternativen,<br />

in der Begrifflichkeit der römischen Kirche unter dem Wort<br />

„Konkubinat“ subsumiert und diskreditiert, für die Mächtigen jener<br />

Zeit eine Vielzahl sozialer, politischer, strategischer Funktionen erfüllte.<br />

Diese Bedeutungsvielfalt wird im europäischen Vergleich untersucht:<br />

für Skandinavien, für die Länder französischer Kultur um<br />

den Ärmelkanal und für den nordwestlichen Mittelmeerraum. Mit<br />

der Untersuchung der aristokratischen Polygynie als eines europaweit<br />

verbreiteten sozialen Phänomens soll so eine Geschichte kontinentaler<br />

Vielfalt und Gemeinsamkeit in einer Zeit entstehen, da die<br />

„Komposition Europas“ in eine entscheidende Phase trat.<br />

Seit Beginn der Förderung wurde der räumlich erste, der nordeuropäische<br />

Teil erarbeitet. Deutlich ist dabei geworden, dass die sozialen<br />

Verwendungsmöglichkeiten von polygynen Verhältnissen im Norden<br />

erheblich breiter gefächert sind, als gemeinhin angenommen wird.<br />

Herausragend ist dabei, dass in den nordischen Königreichen bis ins<br />

13. Jahrhundert hinein die königliche Vaterschaft Grundbedingung<br />

für die Anwartschaft auf das Königtum war, was bedeutet, das jedes<br />

Verhältnis eines Königs zu einer Frau – gleich ob im weltlichen oder<br />

kirchlichen Sinne „ehelich“ oder nicht – große politische Konsequenzen<br />

haben konnte. Daneben hat sich gezeigt, dass der „Zeichencharakter“<br />

solcher Beziehungen (d. h. die sozialsemantischen Aussagemöglichkeiten,<br />

die in der Aufnahme oder Beendigung einer Beziehung<br />

lagen) auf mehreren Ebenen liegt. Die Bedeutung der Polygynie<br />

für die ausgeprägt agonale (d. h. auf Wettstreit beruhende) politische<br />

Kultur Skandinaviens, die in diesem Projekt als solche theoretisiert<br />

wird, ist als ein erstes Forschungsergebnis zu werten; als zweites ist<br />

festzuhalten, dass der „Symbolcharakter“ (im anthropologischen<br />

Sinne) solcher Beziehungen ein neues Licht auf die religiösen Vorstellungen<br />

in Nordeuropa einige Generationen nach der Christianisierung<br />

wirft.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> unterstützt Prof. W. E. J. Weber (Institut für Europäische<br />

Kultur, Universität Augsburg) bei der Edition der Chronik des Georg<br />

Kölderer (Augsburg um 1600).<br />

Gegenstand des Forschungsvorhabens ist die historisch-kritische<br />

Ausgabe der Chronik des Augsburger Handelsangestellten Georg<br />

Kölderer (1550?–1607).<br />

Zu den wichtigsten Arbeitsgebieten der frühneuzeitlichen europäischen<br />

Kulturgeschichte zählt die Erforschung der Voraussetzungen,<br />

Entstehung, Erscheinungsformen und Wirkungen kollektiver historischer<br />

Erinnerungen. Eine wesentliche Quellensorte dabei ist die vor<br />

allem städtische Chronistik.

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