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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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SPRACH- UND LITERATURWISSENSCHAFTEN<br />

nen (und sogar noch postmodernen) Poetik und Ästhetik: etwa versteht<br />

der späte Rilke – wie im Spiritismus – seine Texte als ,Diktat’,<br />

das des Autors nicht bedarf bzw. ihn zu einem bloßen Medium instrumentalisiert.<br />

Die spiritistische Annahme, dass ein Diskurs durch<br />

das Subjekt hindurchgeht, das solcherart nicht mehr Herr seines<br />

Textes’ ist, entspricht auch einer in der Postmoderne gängigen Vorstellung.<br />

Der bedeutende Beitrag, den der Spiritismus für die Ausbildung einer<br />

spezifisch modernen Ästhetik leistete, wurde zwar in der bisherigen<br />

Forschung punktuell angesprochen (v.a. in bezug auf Malerei<br />

und bildende Kunst oder die Sondergattung der phantastischen Literatur),<br />

aber nicht systematisch erforscht. Erstens fehlen dezidiert<br />

theoriegeschichtlich ausgerichtete Untersuchungen, die von einer<br />

ausgearbeiteten Theorie der ästhetischen Moderne her an die philosophischen<br />

Prämissen und kulturellen Praktiken des Spiritismus herangehen.<br />

Zweitens besteht bis heute keine Aufarbeitung der Quellengrundlage,<br />

denn die Zeugnisse der spiritistischen Bewegung (v.a.<br />

in fachspezifischen Schriften, Zeitschriften oder Briefen veröffentlicht)<br />

zählen nicht zum literaturwissenschaftlichen Kanon.<br />

Ziel des Projekts ist es, die vielfältigen Bezüge und Querverbindungen<br />

zwischen Spritismus und moderner Poetik und Ästhetik aufzuarbeiten,<br />

und zwar am Beispiel der großen Zentren sowohl des Spiritismus<br />

als auch der Moderne: München und Berlin. Primar geplant ist<br />

eine umfassende Dokumentation der für die Leitthese relevanten<br />

Quellen und von bis heute weitgehend unerschlossenen Textzeugnissen,<br />

die aus Archiven und entlegenen Zeitschriften zusammengetragen<br />

und mit entsprechenden Kommentaren und einer monographischen<br />

Einführung der Forschung zugänglich gemacht werden<br />

sollen.<br />

Auf der Basis dieser Materials soll erforscht werden, in welchen<br />

Aspekten der Spiritismus für die Herausbildung der ästhetischen<br />

Moderne von Bedeutung war. Ins Auge gefasst werden hier insbesondere<br />

drei Punkte: die poetologische Entwicklung neuer Verfahrensweisen,<br />

die Fragen des dichterischen Selbstverständnisses und<br />

die Problematik der Autorschaft. In einem zweiten Schwerpunkt soll<br />

das Projekt die institutionellen Konstellationen aufzeigen, innerhalb<br />

derer sich diese Bezüge von Literatur und Spiritismus herstellten,<br />

und den Personenkreis beschreiben, von dem diese getragen wurden.<br />

Prof. W. Oesterreicher (Institut für Romanische Philologie, Universität<br />

München) wurden für das Projekt „Nationalphilologische Traditionen<br />

der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung – Aspekte<br />

der diskursiven Konstruktion nationaler Identität“ Fördermittel der<br />

<strong>Stiftung</strong> zur Verfügung gestellt.<br />

Nach der Konstituierung der Philologien als wissenschaftliche Disziplinen<br />

wurde im 19. Jahrhundert die Arbeit im sprachwisssenschaftlichen<br />

Bereich zunächst in engem Kontakt mit textphilologischen<br />

Romanistische<br />

Sprachgeschichtsschreibung

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