Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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53 GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN Abb. 2: Projekt „Eliten-Bildung in Sachsen. Die Ausbildungsstrategien an den sächsischen Fürstenschulen im Kaiserreich und der Weimarer Republik“: Erinnerungskarte des Vereins ehemaliger Fürstenschüler (Kreismuseum Grimma).
Preußen Beamte und Kaufleute GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 54 1871 des Deutsches Reiches blieb, hatten die Universitäten wie kaum eine andere Institution Anteil an der „Nationalisierung“ des politischen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland. Daraus ergab sich insbesondere nach 1850 die paradoxe Situation, dass an den von den deutschen Staaten zum Zwecke der Förderung eines eigenen Staatsbewusstseins und der regional-partikularstaatlichen Identitätsfindung finanzierten Universitäten häufig ein gesamtnationales Bewusstsein dominierte. Auch um im inneruniversitären Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, mussten die einzelnen Hochschulen mit institutionellen und intellektuellen Innovationen umgehen, was wiederum zu einem gewissen Assimilationsdruck führte. In diesem Fragehorizont möchte das Projekt den Strukturwandel der sächsischen Hochschulen Leipzig und Wittenberg in der für die Entstehung und Etablierung eines modernen Bildungs- und Wissenschaftssystems entscheidenden Umbruchphase vom 18. zum 19. Jahrhundert beleuchten und die an diesem Modernisierungsprozess beteiligten Wirkkräfte dingfest machen, wobei das Hauptaugenmerk dem relativen Gewicht von regionenspezifischen Einflussgrößen und überregional wirksamen Faktoren gelten soll. Die Fragestellung soll nach mehreren Richtungen hin differenziert und präzisiert werden: Zunächst soll eine sozialgeschichtliche Komponente des universitätsgeschichtlichen Wandels in den Blick genommen werden: der durch veränderte Rekrutierungspraktiken für das Lehrpersonal bewirkte Wandel der Sozialgestalt der Universitäten, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts von vorwiegend regional geprägten Anstalten zu Einrichtungen entwickelten, die in einen den gesamten deutschen Sprachraum erfassenden Austausch von Professoren eingebunden waren. Die wichtigste Quelle hierfür sind zum einen die semesterweise veröffentlichten Vorlesungsverzeichnisse, zum anderen die staatlichen und universitären Akten zu Berufungsvorgängen. Auf einer zweiten Ebene soll dann die in das moderne System wissenschaftlicher Disziplinen mündende Ausdifferenzierung des akademischen Fächerkanons untersucht werden. Durch die Rekonstruktion des an den sächsischen Hochschulen vertretenen Fächerspektrums soll versucht werden, regionenspezifische Verlaufsmuster dieser Disziplinbildungsprozesse in ihrer Bedingtheit durch wissenschaftsimmanente Impulse und externe Faktoren wie etwa einzelstaatliche Wissenschaftspolitik zu ermitteln. Schließlich soll nach der Regionenspezifik universitärer Modernisierungsprozesse und den dahinter wirksamen Leitvorstellungen gefragt und die (initiierende oder eher reaktive) Rolle des Staates beim Umbau der Universitätsstrukturen untersucht werden. Quellen sind die publizierten Zeugnisse in Presse, Landtag und gebildeter Öffentlichkeit. Daneben werden auch die einschlägigen Aktenüberlieferungen, welche die universitären und staatlichen Reformmaßnahmen dokumentieren, auszuwerten sein. Dr. K. Neitmann (Leitender Archivdirektor Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam) und Prof. W. Radtke (Institut für Geschichte und Kunstgeschichte, TU Berlin) widmen sich mit Förde-
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