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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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209<br />

SOZIOLOGIE<br />

Erscheinungsform europäischer Interessenvermittlung zu überprüfen<br />

und zu erklären.<br />

Basis des Projektes war eine als Vollerhebung der Dach-, Branchenund<br />

Fachverbände durchgeführte schriftliche Befragung von Wirtschaftsverbänden.<br />

Ergänzend wurden mehr als 50 qualitative Interviews<br />

mit französischen Verbänden und Ministerien sowie mit Vertretern<br />

der Europäischen Kommission geführt.<br />

Die Studie zeigt zum einen deutliche Gemeinsamkeiten: Französische<br />

Wirtschaftsverbände haben sich nachhaltig auf die EU eingestellt.<br />

Sie haben ihre Aktivitäten auf die europäische Ebene ausgeweitet,<br />

ohne dadurch ihre Kontakte zu den nationalen Akteuren zu<br />

vernachlässigen. Französische Verbände haben, wie ihre Partnerorganisationen<br />

in anderen EU-Staaten, auf die zunehmende Kompetenzverlagerung<br />

nach Brüssel mit einer Mehrebenenstrategie geantwortet.<br />

Gleichwohl bestehen zwischen französischen und deutschen Wirtschaftsverbänden<br />

noch immer Unterschiede. Dabei konnte nachgewiesen<br />

werden, dass die erkennbaren Verhaltensvariationen nicht<br />

auf Unterschiede in den Wirtschafts- oder Organisationsstrukturen<br />

zurückzuführen sind. Mit Ausnahme der schwächeren Ressourcenausstattung<br />

gibt es keine charakteristischen Organisationseigenschaften,<br />

die eine Verhaltensabweichung der französischen Verbände<br />

plausibel machen. Vielmehr sind es die politischen Kontextbedingungen,<br />

die immer noch spürbar sind. Der französische „Etatismus“,<br />

der sich in der Autonomie der politischen Führung ebenso<br />

ausdrückt wie in der Selbstbezogenheit der französischen Ministerialbürokratie<br />

und dem erheblichen Entscheidungsspielraum der Verwaltung<br />

im Gesetzesvollzug, spielt dabei eine ebenso große Rolle<br />

wie die höhere Konfliktbereitschaft der Kontrahenten in der politischen<br />

Auseinandersetzung.<br />

Darüber hinaus erbrachte die Analyse, dass „Lobbying à la française“<br />

nicht zwangsläufig hinderlich für die Interessendurchsetzung<br />

in der EU ist. Die französische Vorliebe für schriftliche Festlegungen,<br />

juristisch ausgefeilte Vorlagen und die wissenschaftliche Absicherung<br />

der eigenen Argumentation fügt sich reibungslos in den europäischen<br />

Politikprozess ein. Anpassungsprobleme treten dort auf, wo<br />

deutliche Divergenzen im Politikstil bestehen und die Verbände gezwungen<br />

sind, sich auf zwei unterschiedliche Einflusslogiken einzustellen.<br />

Die vergleichsweise geringen Kontakte zur Arbeitsebene der<br />

Kommission und die relativ späte Intervention im Politikprozess sind<br />

Indiz dafür, dass französische Verbände Schwierigkeiten haben, ihre<br />

Praxis an die Anforderungen eines erfolgreichen EU-Lobbyings anzupassen.<br />

Ein Grund ist, dass für französische Verbände traditionell<br />

weniger die politische Interessenvertretung als die Dienstleistung für<br />

ihre Mitglieder, Mitwirkung an Normgebung und Standardisierung<br />

und Aktivitäten zur Marktkoordinierung im Vordergrund stehen.<br />

Anders als in Deutschland vertrauen die französischen Fachver-

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