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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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PHILOSOPHIE 16<br />

Zu den zentralen Aufgaben der Philosophie gehört die Begriffsbildung,<br />

d. h. die Einführung von Ausdrücken und die Festsetzung der<br />

Bedeutung dieser Ausdrücke. Das Studium der Begriffe ist in jeder<br />

Epoche der Philosophie und bei fast jedem Autor nachweisbar und<br />

hat zu stabilen und breiten Überlieferungsströmen geführt.<br />

Man unterscheidet bei der Begriffsetablierung zwischen zwei Formen.<br />

Bei der ersten Art handelt es sich um die Bereitstellung gänzlich<br />

neuer Begriffe. Der zweite Typ hat demgegenüber mit der Wiedereinführung<br />

schon im Gebrauch befindlicher Konzepte zu tun: In<br />

geläufiger Terminologie ist in diesem Zusammenhang von der Explikation<br />

von Begriffen die Rede. Explikationen stellen ein „zweipoliges“<br />

Einführungsgeschehen dar. Zum einen existiert (wenigstens)<br />

eine „alte“ Bedeutung. Zum anderen wird durch den Explikationsakt<br />

(wenigstens) eine „neue“ Bedeutung gestaltet. Die alte Bedeutung<br />

ist einerseits so nicht oder nicht mehr in Ordnung: Sie genügt den<br />

nunmehr zu realisierenden Redezwecken nicht. Andererseits sieht<br />

man sich gehalten, die alte Bedeutung nicht oder doch nicht ganz<br />

aufzugeben, sondern sie in die neue Bedeutung über den Explikationsakt<br />

zu inkorporieren. Der Explikationsprozess zerfällt dabei in<br />

drei Phasen: Die Explikationsvorbereitung, den (eigentlichen) Explikationsakt<br />

und die Adäquatheitskontrolle.<br />

Obwohl damit heute eine umfassende und differenzierte Disziplin<br />

der Begriffsbildung zur Verfügung steht, wird im gegenwärtigen<br />

philosophischen Diskurs zur Wissens- und Willensbildung ein geeigneter<br />

Methodenkanon vermisst, der die Güte und Akzeptabilität von<br />

Explikationsvorschlägen absichert und garantiert. Das Sachproblem<br />

in diesem Kontext lautet: Nach welchen Regeln, Verfahren und Methoden<br />

soll man sich bei diesen Tätigkeiten richten? Wie soll man die<br />

Methoden gestalten, welche die präexplikativen Verrichtungen leiten?<br />

Um dieses Desiderat zu beheben, soll auf die Überlegungen des<br />

Aufklärungsphilosophen Johann Heinrich Lambert zurückgegriffen<br />

werden, der den Versuch unternommen hat, ein Regelwerk für die<br />

Ausführung explikationsvorbereitender Maßnahmen zu konstruieren.<br />

Johann Heinrich Lambert (1728–1777) ist als einer der letzten Universalgelehrten<br />

anzusehen: Sein Werk bezieht sich auf die meisten<br />

zu seiner Zeit bekannten Gegenstände des Wissens, wobei sich die<br />

Physik und die Mathematik einerseits, die Philosophie andererseits<br />

als bevorzugte Tätigkeitsfelder ausmachen lassen. Lamberts philosophische<br />

Hauptwerke sind das „Organon“ (1764), das in der Tradition<br />

der Vernunftlehren steht und als umfassende Erkenntnis- und Wissenschaftsphilosophie<br />

angesehen werden kann, sowie die „Anlage<br />

zur Architectonic, oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen<br />

und mathematischen Erkenntniß“ (1771). Das zweite<br />

philosophische Kernwerk, die „Architectonic“, ist – zufolge der Deutung<br />

des Autors – „als eine durchaus aufs neue vorgenommene Untersuchung<br />

der metaphysischen Grundlehren“ einzustufen. Insbesondere<br />

zielt es dabei auf die Explikation der metaphysischen Be-

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