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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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Ostpreußen<br />

Juden<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 48<br />

pographische, individual- und familienbiographische Herangehensweise<br />

sollen die sozialen und kulturellen Kontexte, Handlungen, Bedeutungen<br />

und Identitäten, die Auswirkungen der Stellung von Hofjuden<br />

auf Person, Familie und gesellschaftliches Umfeld exemplarisch<br />

beleuchtet werden. Lebensstil, Lebensführung, Erziehung der<br />

Kinder, verwandtschaftliche Vernetzung, Engagement für die jüdische<br />

Gemeinde etc. sind die relevanten Themen, die vor dem Hintergrund<br />

des Diskurses über gesellschaftliche Eliten behandelt werden<br />

sollen. Schließlich wird auch der vielfach als selbstverständlich vorausgesetzte<br />

Konnex zwischen Akkulturation und Modernisierung/<br />

Fortschritt/Gewinn und zwischen Akkulturation und Säkularisierung<br />

zu hinterfragen sein.<br />

Mit den „Erfahrungen von Grenze und Ausgrenzung. Juden in Ostpreußen“<br />

beschäftigt sich ein von der <strong>Stiftung</strong> gefördertes Projekt,<br />

dem sich Prof. H. A. Winkler (Institut für Geschichtswissenschaften,<br />

Humboldt-Universität zu Berlin) widmet.<br />

Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Geschichte der jüdischen<br />

Landbevölkerung im ostpreußisch-litauischen Grenzgebiet<br />

zwischen 1812 und 1942.<br />

Die Geschichte des deutschen Judentums im 19. Jahrhundert ist vorwiegend<br />

durch Migrationsprozesse gekennzeichnet. Am Anfang<br />

stand häufig der Übertritt von einer Kultur in eine andere, dann folgen<br />

Wanderungen vom Dorf in die Stadt, vom Osten in den Westen.Dies<br />

gilt auch für das Grenzgebiet zwischen Ostpreußen und Litauen.<br />

Juden lebten in diesem Landstrich, der den Kreis Memel des<br />

Regierungsbezirkes Königsberg und die Kreise Heydekrug, Tilsit,<br />

Ragnit und Pilkallen des Regierungsbezirkes Gumbinnen umfasste,<br />

seit dem 16. Jahrhundert, aber nur in geringer Zahl, vor allem an<br />

wichtigen Handelsorten, wie Ruß an der Memelmündung, einem<br />

zentralen Ort für den Holzhandel. Im Gegensatz zu den litauischen<br />

Gebieten hinter der Grenze, in denen die Juden sich meistens in kleinen<br />

Städten konzentrierten, siedelten sie sich in Ostpreußen verstreut<br />

an, auch auf Dörfern, Einzelgehöften und Abbauten. Mit dem<br />

Grad ihres wirtschaftlichen Erfolges wanderten sie weiter in größere<br />

Ortschaften und Städte.<br />

Eine große Anzahl von Juden, die im 19. Jahrhundert naturalisiert<br />

wurden, stammte aus der direkten Grenzregion und verband mit<br />

dem Wechsel nach Preußen bzw. ins Deutsche Reich häufig die Hoffnung<br />

auf eine bessere wirtschaftliche Zukunft. Dafür waren die Zuwanderer<br />

bereit, komplexe und komplizierte Anpassungsleistungen<br />

zu erbringen, um die Bedingungen einer zweiten Sozialisation zu erfüllen.<br />

Dazu gehörten beispielsweise die Akzeptanz anderer Autoritätsprinzipien<br />

oder Instanzen sozialer Kontrolle.<br />

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, anhand der Geschichte verschiedener<br />

Einwandererfamilien die Dimensionen der jüdischen<br />

Emigration nach Ostpreußen darzustellen sowie jüdisches Leben im<br />

ländlichen Ostpreußen zu rekonstruieren. Im Rahmen der sozialge-

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