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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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Jüdische<br />

Oberschicht<br />

18. Jh.<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN 46<br />

dentoleranz wurde durch das Judenrecht geregelt, dass sich vor allem<br />

in den Judenordnungen ausdrückte.<br />

Die Judenpolitik der Mainzer Erzbischöfe ist am Ausgang des Mittelalters<br />

und zu Beginn der Frühen Neuzeit durch einen Wechsel von<br />

Vertreibung und Wiederaufnahme gekennzeichnet. Besonders widersprüchlich<br />

war die Judenpolitik des Kardinals Albrecht von Brandenburg<br />

(1514–1545). In seinem Namen wurde in den Jahren 1515<br />

und 1516 ein Projekt zur Vertreibung aus den vorderen Reichskreisen<br />

initiiert; fast zeitgleich mit seinen Vertreibungsplänen führte<br />

Kurfürst Albrecht Judenrezeptionen durch und stellte Schutzbriefe<br />

aus. Erste zusammenhängende Judenordnungen erließ Johann Philipp<br />

von Schönborn. Zu überprüfen ist, ob dem als „Deutscher Salomon“<br />

in die Annalen eingegangenen Kurfürsten auch hinsichtlich<br />

seiner Judentoleranz dieser Ehrentitel zukommt.<br />

Das Interesse konzentriert sich auf die Veränderungen der frühneuzeitlichen<br />

Siedlungsformen und ihre Auswirkungen auf das Leben<br />

der jüdischen Bevölkerung und die Formierung der Judenschaft.<br />

Gleichzeitig ist zu fragen, ob und wieweit sich Rechtsstellung und<br />

Rechtssicherheit der Juden gegenüber dem Mittelalter veränderten<br />

und ob sich die Juden als Rechtsbürger von ihren christlichen Nachbarn<br />

unterschieden. Neben normativen Sollbestimmungen und dem<br />

Diskurs der Juristen und Theologen ist vorrangig die Rechtswirklichkeit<br />

zu untersuchen und zu fragen: Wie wurden Juden im Rechtsalltag<br />

behandelt und wie sah der in den Schutzverträgen (kollektiven<br />

und individuellen Schutzbriefen) zugesagte Schutz in der Rechtswirklichkeit<br />

tatsächlich aus.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Judenpolitik der Mainzer Erzbischöfe<br />

und Kurfürsten. Zu fragen ist, ob sich deren exponierte Stellung<br />

im Reich auf ihre Politik hinsichtlich der Juden auswirkte und<br />

inwiefern diese von den konkurrierenden Herrschaftsansprüchen innerhalb<br />

und außerhalb des Erzstiftes mitbestimmt wurde. Im Hinblick<br />

auf die meist protestantischen Nachbarn von Kurmainz ist zu<br />

klären, ob Judenpolitik, Judentoleranz und Judendiskurs konfessionell<br />

bedingte Unterschiede aufwiesen. Schließlich ist auch die innere<br />

Geschichte der lokalen Judenschaften und ihre Stellung innerhalb<br />

des Kurterritoriums und der jüdischen „Landschaften“ sowie die alltäglichen<br />

Beziehungen zwischen den Juden und der christlichen<br />

Umwelt im Spannungsfeld von „Nachbarschaft und Konkurrenz“<br />

aufzuarbeiten.<br />

Prof. S. Rohrbacher (Fakultät 2 – Jüdische Studien, Universität Duisburg)<br />

erhält von der <strong>Stiftung</strong> für das Forschungsprojekt „Pragmatik<br />

oder Programm? Akkulturationsprozesse in der jüdischen Oberschicht<br />

im 18. Jahrhundert“ Fördermittel.<br />

In diesem Projekt soll der kulturelle Wandel innerhalb der jüdischen<br />

Oberschicht im Übergang von der traditionellen zur modernen Bürgergesellschaft<br />

unter Rekurs auf den Kulturbegriff von Gadi Algazi<br />

als Akkulturationsprozess untersucht werden.

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