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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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QUERSCHNITTBEREICH „BILD UND BILDLICHKEIT“<br />

sierung in den Vordergrund des Romans, wie er sich seit dem 17./18.<br />

Jahrhundert entwickelt hat, so avanciert die Personengestaltung wie<br />

selbstverständlich zum Herzstück dieser Gattung und gewinnt für<br />

deren weitere Aufarbeitung eine Schlüsselfunktion.<br />

Leitgedanke der Untersuchung ist, dass diese Personengestaltung<br />

durch die Tradition der bildenden Künste mitgeprägt wird und häufig<br />

als ein Zusammenspiel beider Kunstformen in Szene gesetzt wird.<br />

Dieser Ansatzpunkt wird nicht zuletzt gestützt durch die Beobachtung,<br />

dass annähernd parallel zum Primat der Individualitätsthematik<br />

und ihrer Formgebung im Roman die Porträtmalerei ihrerseits die<br />

sukzessive Herausbildung, Vervollkommnung und auch entschiedene<br />

Infragestellung von Individualiltät als zumindest latenten<br />

Fluchtpunkt ihrer Entwicklung kennt.<br />

Vor diesem kulturgeschichtlich markierten Hintergrund ist der gleichermaßen<br />

eingeschränkte und zentrale Gegenstand des Projekts<br />

folgendermaßen zu bestimmen: Es geht darum, die in Romanen rekurrente<br />

erzählerische Vergegenwärtigung von (gemalten) Porträts<br />

in ihrer Eigenschaft als sekundäre Personengestaltung zu analysieren<br />

(erstens), in Bezug zu setzen zur primären Personendarstellung<br />

der Protagonisten (zweitens) und die solchermaßen gewonnene Relationierung<br />

fruchtbar zu machen für eine am Individualitätsbegriff<br />

orientierte Funktionsbestimmung des Romans (drittens).<br />

Arbeitshypothese ist dabei, dass die Relation von primärer und sekundärer<br />

Personendarstellung als mise en abîme des Romans zu fungieren<br />

vermag. Für die Entfaltung der These bieten sich insbesondere<br />

drei historische Schwerpunktbildungen an:<br />

– der Roman des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts,<br />

der – nicht nur bezüglich der Personendarstellung – als Reaktion<br />

auf die Physiognomik-Debatte und im Kontext der kunsttheoretischen<br />

Porträt-Diskussion des 18. Jahrhunderts zu lesen ist.<br />

– Der Roman des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts,<br />

in dem die Krise des bürgerlichen Individuums und die<br />

darauf antwortende Krise des überkommenen Porträts in der bildenden<br />

Kunst zahlreiche Entsprechungen und Gegenreaktionen<br />

in der Literatur hervorruft.<br />

– Der Roman der Nachkriegszeit, der unter der doppelten Voraussetzung<br />

von Identitätsdiffusion und medialer Beschleunigung<br />

steht und hierauf mit spezifischen Veränderungen in der Personendarstellung<br />

reagiert.<br />

Folgende Publikation ist im Berichtszeitraum erschienen:<br />

Galle, Roland: „Das Porträt war ohne Kopf“. Über den Entzug der<br />

Ähnlichkeit in der Kunst der Jahrhundertwende. – In: Fin de<br />

siècle. Hrsg.: Rainer Warning; Winfried Wehle. München <strong>2002</strong>.<br />

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