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Jahresbericht 2001/2002 - Fritz Thyssen Stiftung

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71<br />

GESCHICHTSWISSENSCHAFTEN<br />

Mit dem Schwarzmarkt untersucht es eines der wichtigsten Phänomene<br />

der Kriegs- und Nachkriegszeit, das bisher weitgehend unerforscht<br />

geblieben ist. Die Analyse konzentriert sich auf die unterschiedlichen<br />

Märkte und das Marktgeschehen des Berliner Schwarzhandels<br />

im Übergang von der nationalsozialistischen Diktatur zur<br />

Besatzungszeit und zu den Anfängen der beiden deutschen Staaten.<br />

Das, was nicht zuletzt in den Berichten der Zeitgenossen als<br />

„Schwarzmarkt“ bezeichnet wird, beschränkte sich nicht auf die<br />

Transaktion von Waren gegen Geld, sondern war ein überaus komplexes<br />

Tauschgeschehen. Während die ersten „verdeckten“<br />

Schwarzhandelsformen bereits mit dem Beginn der einschneidenden<br />

Lebensmittelrationierung auftraten, begann der räumlich bestimmbare<br />

öffentliche Schwarzmarkt in Berlin spätestens im Oktober 1944.<br />

Zu einem Phänomen, welches das Stadtbild wie die Lebenswirklichkeit<br />

der Menschen prägte, wurde er in der Zeit zwischen Anfang<br />

1945 und der Währungsreform im Sommer 1948. Einzelne Schwarzhandelspraktiken<br />

hielten sich – wenigstens im Ostteil der Stadt – bis<br />

in die fünfziger Jahre.<br />

Das Projekt begreift den Schwarzhandel erstens als einen Hohlspiegel,<br />

der gesellschaftliche Phänomene der Zeit wie die Neuorientierung<br />

im Angesicht von Zusammenbruch und beginnendem Wiederaufbau<br />

bündelt. Am Schwarzmarkt lassen sich mehrere Entwicklungslinien<br />

der Kriegs- und Nachkriegszeit studieren: die wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen im Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft,<br />

die Frage nach dem Verhältnis von Konsum und<br />

staatlicher Obrigkeit sowie die Veränderung der sozialen Ordnung<br />

einer sich wandelnden Gesellschaft. Zweitens wird die Organisation<br />

der Berliner Schwarzmärkte systematisch beschrieben. Ins Blickfeld<br />

rücken die räumliche Dimension und der Teilnehmerkreis, die Praktiken<br />

der Akteure und nicht zuletzt die Tauschwaren und Dienstleistungen.<br />

Deshalb gehört zur Geschichte der Berliner Schwarzmärkte<br />

mit dem Zusammenspiel von Schwarzhandel und Prostitution<br />

eine geschlechtergeschichtliche Perspektive. Betrachtet man den<br />

Schwarzmarkt in diesem Sinn auch als Kontaktbörse und Ort sozialer<br />

Interaktion, kommt ein weiterer Themenkomplex ins Spiel. Denn<br />

Schwarzmarktplätze waren häufig jene Orte, an denen Deutsche<br />

zum ersten Mal mit „Fremden“, ab 1945 also mit alliierten Besatzungssoldaten<br />

in Kontakt kamen, mit ihnen handelten oder in Konflikt<br />

gerieten, wenn die Soldaten als Ordnungsmacht etwa bei Razzien<br />

auftraten.<br />

Mit der Thematik „Jugend 1945 – Jugend im Umbruch“ ist ein von<br />

der <strong>Stiftung</strong> gefördertes Projekt befasst, das Dr. M. Rüther (NS-Dokumentationszentrum,<br />

EL-DE-Haus, Köln) betreut.<br />

Das Vorhaben gilt als Pilotprojekt für eine umfassende Erforschung<br />

der Mentalitätsgeschichte der frühen Bundesrepublik sowie einer wissenschaftlichen<br />

Annäherung an die Frage der Beeinflussung von Jugendlichen<br />

durch Politik und Schule. Ziel des Projektes ist – demonstriert<br />

am Beispiel des traditionsreichen Kölner Dreikönigsgymnasi-<br />

Jugend<br />

1945

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