Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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lungen zurückgreifen. Daß bei dieser Herangehensweise einzelne Aspekte nur umrißhaft<br />
dargestellt werden konnten, mußte da<strong>für</strong> in Kauf genommen werden.<br />
Im Vordergr<strong>und</strong> stand immer wieder die Frage nach der Möglichkeit eines wissenschaftlich<br />
begründeten, philosophisch unterbauten Weltbildes. Davon zeugt auch der<br />
Aufbau des Ganzen, bei dem systematische Problemstellungen im Vordergr<strong>und</strong> stehen.<br />
Der historische Aspekt tritt da<strong>für</strong> zurück 2 <strong>und</strong> beschränkt sich im wesentlichen auf einen<br />
Abriß von Genesis <strong>und</strong> Entwicklung beider Strömungen in der Einleitung sowie auf die<br />
beiden Kapitel zur Wissenschafts- <strong>und</strong> Philosophiegeschichte zu Beginn des ersten <strong>und</strong><br />
zweiten Hauptteils. Auf diese beiden Kapitel konnte im Interesse eines tieferen Verständnisses<br />
<strong>für</strong> den Hintergr<strong>und</strong> der zwischen <strong>Marxismus</strong> <strong>und</strong> <strong>Anthroposophie</strong> kontroversen<br />
Punkte nicht verzichtet werden, auch wenn sie dem philosophisch weniger vorgebildeten<br />
Leser wohl die meisten Schwierigkeiten bereiten werden. (U.U. wird er sie zunächst zurückstellen<br />
können.)<br />
Im ersten Hauptteil geht es um das Verhältnis von Materie <strong>und</strong> Bewußtsein. Das entspricht<br />
der prinzipiellen Bedeutung dieses Problems <strong>für</strong> Naturbegriff <strong>und</strong> Menschenbild:<br />
Nicht umsonst hat es der <strong>Marxismus</strong> mit seiner „materialistischen Dialektik“ zum Kernpunkt<br />
der Auseinandersetzung um eine „wissenschaftliche“ Weltanschauung gemacht.<br />
Wie man die Frage nach der Autonomie des Bewußtseins beantwortet, welche Möglichkeiten<br />
man der Erkenntnis zubilligt, welchen Freiheitsspielraum des einzelnen man in der<br />
Geschichte sieht, wie man die Strukturen einer humanen Gesellschaft bestimmt, all das<br />
hängt in der Tat entscheidend mit ab von der Antwort auf diese Gr<strong>und</strong>frage. Daher mußte<br />
auch in der Darstellung von ihr ausgegangen werden. Materie <strong>und</strong> Bewegung bzw. Energie,<br />
Raum <strong>und</strong> Zeit, die Evolutionstheorie <strong>und</strong> das Verhältnis von Geistig-Seelischem <strong>und</strong><br />
Psychischen sind Themen dieses ersten Teils.<br />
Der zweite Hauptteil behandelt darauf aufbauend die Probleme von Dialektik, Logik<br />
<strong>und</strong> Erkenntnistheorie. Das Erfassen von Leben <strong>und</strong> Bewegung durch das Denken, die<br />
Voraussetzungslosigkeit von Erkenntnistheorie, die Wissenschaftlichkeit der von beiden<br />
Richtungen eingesetzten Erkenntnismittel, das sind Fragen, die hier eine Rolle spielen.<br />
Im dritten Hauptteil geht es dann um Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede in bezug<br />
auf „Geschichte, Gesellschaft <strong>und</strong> Persönlichkeit“: um das materialistische Geschichtsschema<br />
<strong>und</strong> die anthroposophische Freiheitsphilosophie, um das Verhältnis von körperlicher<br />
<strong>und</strong> geistiger Arbeit in der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung, um Klassenkampfstrategie<br />
<strong>und</strong> Bewußtseinsrevolution. Die Darstellung kulminiert in einer Gegenüberstellung<br />
von materialistischer Religionskritik <strong>und</strong> anthroposophischer Christologie <strong>und</strong> mündet<br />
in die Frage, ob der Wesenskern der menschlichen Persönlichkeit aus materiellen<br />
Faktoren ableitbar ist oder aus sich selbst heraus erklärt werden muß, wie es Steiner mit<br />
dem Gedanken der Reinkarnation anstrebt.<br />
Am Schluß des Vorworts soll eine persönlich gefärbte Bemerkung stehen:<br />
Ende der 60er Jahre war ich wie viele aus meiner Generation, die an der damaligen<br />
Jugend- <strong>und</strong> Studentenbewegung teilnahmen, fasziniert von der marxistischen Utopie<br />
einer ausbeutungs-, herrschafts- <strong>und</strong> aggressionsfreien Gesellschaft <strong>und</strong> von der Verbindung<br />
von Theorie <strong>und</strong> Praxis im <strong>Marxismus</strong>. Bei einem Teil der kritischen Intelligenz hielt<br />
diese Faszination nicht an. Zweifel am marxistischen Totalerklärungsschema begannen<br />
sich einzuschleichen. Die Frage, welche Konzepte am ehesten geeignet wären, einen<br />
Ausweg aus den ökonomischen <strong>und</strong> ökologischen Problemen <strong>und</strong> aus der Sinnkrise der<br />
Gegenwart zu finden, war letztlich wieder offen. Bei einigen führten die Suchbewegungen,<br />
die sie einmal zu Marx geführt hatten, nun zu Steiner: Der Titel von Joseph Hubers<br />
„Kursbuch“-Artikel von 1979 - „Astral-Marx“ - drückt das leger, aber treffend aus.<br />
2 Deshalb wurde auch darauf verzichtet, alles zusammenzutragen, was es an Äußerungen der einen über<br />
die andere Seite gibt, während andererseits auch Sek<strong>und</strong>ärliteratur herangezogen wurde, wo es sich <strong>für</strong> die<br />
Problemstellung <strong>und</strong> den Diskussionsstand als wichtig erwies.<br />
Der <strong>Marxismus</strong> hat die <strong>Anthroposophie</strong> bisher ohnehin kaum wahrgenommen. In anthroposophischen Kreisen<br />
dagegen sind heute hauptsächlich die negativen Äußerungen Steiners über Oktoberrevolution <strong>und</strong> <strong>Marxismus</strong><br />
bekannt, die man unter dem Aspekt der Kritik am Materialismus <strong>und</strong> Kollektivismus verstehen muß. Diese<br />
Äußerungen müssen jedoch im Kontext mit anderen, positiveren, gelesen <strong>und</strong> gewichtet werden. So heißt es<br />
etwa in GA 185, 5. 147ff., zum Kommunismus: ,,Dasjenige, um das es sich handelt ist, das man wirklich studiert,<br />
welche in einem gewissen Sinne berechtigten Forderungen sich da von einer Seite erheben. Und man<br />
kann eine Weltanschauung <strong>und</strong> eine Lebensauffassung finden, welche zu sagen wagen darf: Dasjenige, was<br />
Ihr wollt mit euren unvollkommenen Mitteln, erlangt ihr, wenn ihr den Weg der hier (in der ,,Philosophie der<br />
Freiheit“, CS) verzeichnet wird, geht, <strong>und</strong> noch vieles andere [...]“ Auch Steiners Einschätzung Lenins als eines<br />
,,ehrlichen <strong>und</strong> geistig nicht unbedeutenden Menschen“ gehört hierhin (gegenüber George Adams, nach: Wir<br />
erlebten Rudolf Steiner, 1980, S. 16).<br />
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