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Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

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ckung (wichtig <strong>für</strong> einen Vielvölkerstaat wie Rußland). Diese allgemeinen Züge stehen in<br />

Wechselwirkung mit besondern Umständen, die sich aus der unterschiedlichen Reife der<br />

ökonomischen Verhältnisse in diesem oder jenem Land, den jeweiligen politischen <strong>und</strong><br />

Klassenverhältnissen, kulturellen Traditionen, Verschiedenartigkeit der Formen der bürgerlichen<br />

Demokratie usw. ergeben. Dadurch nimmt der Inhalt der <strong>soziale</strong>n Revolution<br />

eine national-spezifische Form an.<br />

Durch die Lösung des kapitalistischen Gr<strong>und</strong>widerspruchs sollen auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

des nunmehr gesellschaftlichen Eigentums, d.h. der Verfügung der Produzenten über die<br />

Produktionsmittel, von Ausbeutung freie Produktionsverhältnisse entstehen, Verhältnisse<br />

der kameradschaftlichen Zusammenarbeit <strong>und</strong> gegenseitigen Hilfe. Die Produktion dient<br />

nun unmittelbar der Bedürfnisbefriedigung, diese ist nicht mehr Mittel zum Profitzweck.<br />

Die noch vorhandenen Ware-Geld-Beziehungen sind in die neue Vermittlungsweise von<br />

Konsumtion <strong>und</strong> Produktion integriert <strong>und</strong> haben - jedenfalls der Theorie nach - nur noch<br />

instrumentellen Charakter. Hebung des Volkswohlstandes, planmäßige Nutzung <strong>und</strong><br />

Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums, Effektivierung der Produktion zur immer besseren<br />

Befriedigung der wachsenden materiellen <strong>und</strong> kulturellen Bedürfnisse des werktätigen<br />

Volkes, darin erblickt man das ökonomische Gr<strong>und</strong>gesetz des Sozialismus. Mit dieser<br />

These will man sich auch gegenüber einem asketischen Sozialismusverständnis abgrenzen,<br />

wie man es Mao Tse-Tung zugeschrieben hat. Daß es noch Probleme mit dem<br />

Lebensstandard gibt, wird von offizieller Seite nicht geleugnet, wenn auch häufig bagatellisiert.<br />

Der Hinweis auf schwierige Startbedingungen <strong>und</strong> die Notwendigkeit hoher Verteidigungsausgaben<br />

ist sicher allein nicht ausreichend, um diese Probleme zu erklären.<br />

Doch kann man mit Stolz auf wachsende Sozialausgaben, auf die durch Subventionen<br />

billig gehaltenen Preise <strong>für</strong> Gr<strong>und</strong>nahrungsmittel - das gilt z.B. <strong>für</strong> die DDR <strong>und</strong> die SU -<br />

<strong>und</strong> die günstigen Mieten (in der DDR z.B. durchschnittlich 4% des Familieneinkommens)<br />

hinweisen. Auch verweist man gerne auf vorbildlichen Ges<strong>und</strong>heitsschutz, Ferienangebote<br />

der Staatsgewerkschaften <strong>und</strong> vor allem auf das hohe Maß an <strong>soziale</strong>r Sicherheit der<br />

Werktätigen, die keine Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> auch keinen Lehrstellenmangel kennen; außerdem<br />

auf zahlreiche sozialpolitisch vorbildliche Detaillösungen. 28 Die Schattenseiten,<br />

die solchen Lichtern gegenüberstehen, werden im Gegensatz zu Mißständen des Kapitalismus<br />

nicht als systemimmanente Defekte gesehen, sondern als Ausnahmen, „noch“<br />

ungelöste Probleme.<br />

Charakteristisch <strong>für</strong> die sozialistische Wirtschaft ist die zentrale Planung. Daß andere<br />

Formen der Planung denkbar <strong>und</strong> praktikabel sind, wird in Abrede gestellt. Die notwendigen<br />

Proportionen der Volkswirtschaft sollen sich im Sozialismus nicht mehr spontan<br />

durchsetzen, durch Disproportionen <strong>und</strong> Krisen hindurch, sondern durch das absichtsvolle<br />

Handeln der Gesellschaftsmitglieder. Planmäßigkeit, so Lenin, ist bewußt eingehaltene<br />

Proportionalität. 29 Sie ist nur da möglich, wo gesellschaftliches Eigentum existiert, welches<br />

das Interesse der Produzenten zu einem gemeinschaftlichen macht. Die Pläne, von der<br />

staatlichen Planbürokratie aufgr<strong>und</strong> entsprechender Beschlüsse der Parteitage erstellt,<br />

haben den Charakter von Direktiven. Das „Plansoll“ ist eine Kategorie, die in der ökonomischen<br />

Praxis eine direktere Rolle spielt als das allgemein gehaltene ökonomische<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz. Zwar lautet die offizielle Losung „Plane mit, arbeite mit, regiere mit“, aber<br />

der Mitbestimmungsspielraum gegenüber dem Plan ist ein sehr enger <strong>und</strong> reduziert sich<br />

<strong>für</strong> den einzelnen <strong>und</strong> das Kollektiv (die „Brigade“) im wesentlichen auf das Recht, die<br />

Planvorgaben, im Zuge der „Gegenplanbewegung“, zu überbieten. Natürlich kommt es<br />

auch vor, daß unrealistische Planvorgaben -etwa durch Einspruch der zwar parteikonformen,<br />

aber durchaus einflußreichen <strong>und</strong> rührigen Gewerkschaften - zurückgestutzt werden.<br />

„Der Plan“ (Jahrespläne, Fünfjahrespläne <strong>und</strong> Perspektivplanungen) steckt auch den<br />

Rahmen ab, in dem sich die ökonomischen Entscheidungen der formell selbstverwalteten<br />

Genossenschaften bewegen können: Hauptabnehmer ihrer Produkte <strong>und</strong> Lieferant ihrer<br />

Maschinen, Düngemittel usw. ist ja der staatliche Sektor. Das System der Planung <strong>und</strong><br />

Leitung der Volkswirtschaft in den sozialistischen Ländern hat Wandlungen durchgemacht<br />

<strong>und</strong> wurde in den 60er Jahren einer gründlichen Reform unterzogen. Das alte<br />

Planungssystem etwa in der Sowjetunion war der Zeit der Industrialisierung <strong>und</strong> der kapitalistischen<br />

Einkreisung angemessen, so meint man, als Riesenobjekte aus dem Boden<br />

gestampft werden mußten, was allein schon wegen des Kadermangels nur durch Hochzentralisierung<br />

möglich war. Im Plan dominierten die quantitativen Kennziffern („Tonnen-<br />

143<br />

28 Vgl. a. Jung/Deppe 1971.<br />

29 LW 3, S. 640.

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