Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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sich selbst „zur wirklich aus innerer Entscheidung strömenden <strong>und</strong> damit freien Bewegung“<br />
25 kommen kann. Bewegtes <strong>und</strong> Bewegendes sind hier ein Wesen.<br />
Auch <strong>Anthroposophie</strong> denkt die verschiedenen Bewegungsformen auseinander hervorgehend,<br />
doch ist das Movens der Gerichtetheit <strong>und</strong> Steigerung des Evolutionsgeschehens<br />
die Selbstbeweglichkeit des Geistigen als Quelle der Selbstbewegung. H. Witzenmann<br />
formuliert: „Der selbstbewegliche Geist erscheint [...] in den Naturreichen auf<br />
verschiedenen Schaffensstufen seines Ordnungswerks. In der mineralischen“, d.h. anorganischen<br />
„Welt zeigt sich nur eine Art Abbild seiner Selbstbeweglichkeit dadurch, daß<br />
den Mineralien unter der Wirkung der physischen Kräfte verschiedene Ortsbefindlichkeiten<br />
erteilt werden. Die Erscheinungen des mineralischen Substanzaufbaus <strong>und</strong> -zerfalls<br />
bilden schon den Übergang zur nächsthöheren Stufe. In der Pflanzenwelt erscheint nicht<br />
nur ein Abbild des selbstbeweglichen Geistes, er wirkt innerhalb der sich entwickelnden<br />
Pflanze als umbildende Gestaltungskraft. Die in den Bereich seiner Wirkung eintretenden<br />
Stoffe werden gemäß dem Baustile des pflanzlichen Wesens, dem sie anverwandelt werden,<br />
umgebildet. In der Tierwelt wirkt der selbst-bewegliche Geist inbildend: den äußeren<br />
Eindrücken wird in der ihnen antwortenden Seele das Inbild der Empfindung zugestaltet.<br />
Im Menschen erst erscheint der Geist in seiner urbildenden Selbstbeweglichkeit, wenn<br />
das Denken als reine, in der Ausgestaltung seiner eigenen Gesetzlichkeit wirksame, sich<br />
selbst tragende Tätigkeit erfaßt wird.“ 26<br />
Als selbstbewegt bezeichnet man gewöhnlich ein Wesen, das zur Eigenbewegung fähig<br />
ist. Beim Automaten dagegen kann man von Eigenbewegung nur im übertragenen<br />
Sinne sprechen, er scheint selbstbewegt, weil er nicht von außen durch Muskelkraft bewegt<br />
werden muß. Während ein Lenin die Verortung der Quelle der Selbstbewegung in<br />
einem Selbst paradoxerweise als Verlegung „nach außen“ empfindet (!), sucht Steiner die<br />
Quelle der Selbstbewegung der Wirklichkeit in der die Differenz von Subjekt <strong>und</strong> Objekt<br />
überspannenden Weltgeistigkeit, die „das Ich von innen nach außen, die mineralische<br />
Welt von außen nach innen“ bildet. 27 Die materiellen Elemente existieren nicht isoliert <strong>für</strong><br />
sich, jedes einzelne ist in seiner Struktur <strong>und</strong> seiner Bewegung durch andere bedingt, ist<br />
also nicht selbstbewegt. Wie soll die Materie als ganze, die „Materie als solche“ als Inbegriff<br />
dieser Elemente, nominalistisch verstanden als pure Gedankenschöpfung <strong>und</strong> Abstraktion<br />
ohne einen eigenen Inhalt, eine Eigenschaft haben, über die kein Element, <strong>für</strong><br />
das der Begriff die Abbreviatur ist, verfügt, nämlich die der Selbstbewegtheit? Andererseits<br />
kann es „logisch keine Bewegung geben, wenn jedes Bewegte stets von einem<br />
anderen Bewegenden bewegt werden muß, also selbst keinen (unmittelbar oder mittelbar)<br />
selbstbewegenden Ursprung hat“ 28 der, da er nicht materieller Art sein kann, geistiger<br />
Art sein muß.<br />
Das selbstbewegliche Menschen-Ich lebt sich in der kindlichen Entwicklung im Erwerb<br />
des aufrechten Ganges, von Sprache <strong>und</strong> Denkvermögen aus. Die menschliche Eigenbewegung<br />
wird in dem Maße als willkürliche, als Selbstbewegung erfahrbar, als die praktische<br />
Tätigkeit mit Überlegung gesteuert <strong>und</strong> mit Bewußtsein begleitet, nicht mehr wie<br />
traumwandlerisch nachahmend vollzogen wird. In der Gliedmaßenbewegung bleibt jedoch<br />
immer ein unbewußter Anteil, erst im „sich in sich zusammenfassenden, in sich<br />
vertiefenden, aus sich selbst sich bewegenden Denken“ (Marx) 29 wird die Selbstbewegungskraft<br />
vollbewußt. „Bewegt ein Mensch seinen Leib, hebt er z.B. den Arm, so wirkt<br />
die eigene urbildliche Bewegungskraft, deren Ursprung er im Denken inne wird, mit den<br />
anderen Metamorphosen zusammen, in denen sich diese Bewegungskraft in seinem<br />
eigenen Organismus <strong>und</strong> in den Seinsstufen der Naturreiche offenbart.“ 30<br />
Die im Denken errungene Bewußtseinshelligkeit kann dann auf das Handeln zurückstrahlen,<br />
wie auch die Aufrichte-, Sprach- <strong>und</strong> Denkkräfte, die in der Kindheit erworben<br />
wurden, vom Erwachsenen durch innere Arbeit in Fähigkeiten höherer Erkenntnis umgewandelt<br />
werden können. 31<br />
Obwohl Steiner das Evolutionsgeschehen als ein gerichtetes ansieht, hat er sich einer<br />
teleologischen Betrachtungsweise stets widersetzt. Die Naturwesen seien „nicht zweckmäßig<br />
<strong>und</strong> planvoll von außen“ - wie die Produkte menschlicher Arbeit -, sondern „ur-<br />
53<br />
25 Pressel 1984, S. 20.<br />
26 Witzenmann 1977, S. 169ff.<br />
27 GA 9, S. 41. Vgl. Lenin, LW 38, S. 339.<br />
28 Witzenmann 1977, S. 184.<br />
29 Marx, Gr<strong>und</strong>risse, S. 22.<br />
30 Witzenmann a.a.O., 185.<br />
31 Vgl. etwa König 1981.