Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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der Stange zu halten. Damit will man sich auch das Anwachsen des „opportunistischen“<br />
nichtrevolutionären Sozialdemokratismus in der Arbeiterbewegung teilweise erklären.<br />
Die Ökonomen der sozialistischen Länder <strong>und</strong> der meisten kommunistischen Parteien<br />
charakterisieren den heutigen Imperialismus als „staatsmonopolistischen Kapitalismus“<br />
womit die Tatsache getroffen werden soll, daß das Monopolkapital den Staat in einem<br />
Maße als Reparaturbetrieb des Kapitalismus ausnutzt, so daß die These von der Verflechtung<br />
<strong>und</strong> Verwachsung von Monopol- <strong>und</strong> Staatsmacht zu einem relativ einheitlichen<br />
Herrschaftsmechanismus gerechtfertigt erscheint. Ohne Staatseingriff in den ökonomischen<br />
Prozeß <strong>und</strong> den Einsatz der über die Steuern zwangsumverteilten Teile des Nationaleinkommens<br />
<strong>für</strong> kapitalintensive Investitionen könnte die kapitalistische Produktionsweise<br />
heute gar nicht überleben, so diese Theorie: Infrastruktur, Forschung <strong>und</strong> Entwicklung,<br />
Rüstung etc. werden über den Staatshaushalt realisiert, die „antizyklische Wirtschaftspolitik“<br />
nach Keynes kann die Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Wirtschaftsform<br />
zwar nicht aufheben, hilft aber, ihre Auswirkungen abzumildern. Der Staat springt überall<br />
da ein, wo Investitionen zur Sicherung der Profitproduktion notwendig sind, die selber<br />
nicht hinreichend profitabel sind. Es handele sich daher nicht um eine Art „Staatssozialismus“,<br />
sondern sozialisiert würden die Verluste, die Gewinne privatisiert. Eine gewisse<br />
Schwierigkeit bei der Behauptung, der Staat werde ausschließlich im Profitinteresse der<br />
Monopole aktiv, bleibe deren Instrument <strong>und</strong> verselbständige sich nur relativ, besteht<br />
darin, daß über den Staatshaushalt auch zum Großteil das <strong>soziale</strong> Netz finanziert wird,<br />
Bildungsausgaben, Ges<strong>und</strong>heits<strong>für</strong>sorge, Sozial- <strong>und</strong> Rentenversicherung, Wohnungsbau<br />
usw. Zumindest im Bewußtsein der Lohnabhängigen hat der Staat daher auch jene<br />
Schutzfunktion, die die Rede vom „Vater Staat“ suggeriert. Der <strong>Marxismus</strong> versucht diese<br />
Seite der Staatstätigkeit in sein theoretisches Modell zu integrieren, indem er sie als Beitrag<br />
zur Erstattung der Reproduktionskosten der Arbeitskraft wertet, zu denen immer<br />
mehr auch die Lebensqualität, Wohnung, Bildung usw., gehöre. 23<br />
Marx war der erste, der die zyklischen Wirtschaftskrisen, mit stockendem Absatz,<br />
Produktionseinschränkungen, Bankrotten <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit, als notwendigen Ausdruck<br />
der Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise zu deuten versuchte: Da ist etwa<br />
der Widerspruch zwischen Produktion <strong>und</strong> Markt, der in der schrankenlosen Ausweitung<br />
der Produktion <strong>und</strong> gleichzeitigen Beschränkung der zahlungsfähigen Nachfrage durch<br />
Druck auf die Löhne besteht, beides aus dem gleichen Profitmotiv. Aus eben dem gleichen<br />
Motiv wird die Abteilung I gegenüber II noch schneller entwickelt, als zur Sicherung<br />
erweiterter Reproduktion eigentlich nötig wäre, mit der Folge einer Nichtauslastung von<br />
Produktionskapazitäten. Währungskrisen, permanente Inflation, Agrarkrise <strong>und</strong> verschiedene<br />
andere Strukturkrisen machen heute den westlichen Ländern zu schaffen. Da die<br />
erforderlichen Mittel <strong>für</strong> die antizyklische Wirtschaftspolitik des Staates so gewachsen<br />
sind, daß sie allein über die Steuern nicht mehr aufzubringen sind <strong>und</strong> der Staat sich<br />
verschulden muß, ist eine chronische Krise der Staatsfinanzen die Folge. Die Kreditaufnahme<br />
des Staates bei der Zentralbank führt aber zur Aufblähung des Papiergeldumlaufs<br />
<strong>und</strong> hat mithin inflationäre Wirkungen. Wird versucht, diese durch rigorose Sparpolitik<br />
abzubauen, ist der Effekt eine „Ges<strong>und</strong>schrumpfung“ auf Kosten der sozial Schwachen. 24<br />
Es verstärken sich nach Auffassung der marxistischen Ökonomen die Ungleichmäßigkeit<br />
in der Entwicklung des Kapitalismus <strong>und</strong> die Widersprüche zwischen den „imperialistischen“<br />
Mächten <strong>und</strong> Blöcken (EG, USA, Japan usw.). Die Internationalisierung der kapitalistischen<br />
Wirtschaft schreitet voran, was nicht nur zur Herausbildung der transnationalen<br />
Konzerne, einer Art Supermonopole, führt, sondern auch zur Entstehung internationaler<br />
staatsmonopolistischer Vereinigungen (OECD, GATT, IWF, Weltbank) <strong>und</strong> regionaler<br />
Vereinigungen wie der EWG. Diese Integration sei kein harmonisches Zusammenwachsen,<br />
sondern ein widerspruchsvoller Prozeß. Man kann sich darauf berufen, daß die<br />
EWG bis heute nicht über die Zollunion <strong>und</strong> die Bildung eines gemeinsamen Agrarmarkts<br />
hinausgekommen ist, während die bis 1980 geplante „Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungsunion“<br />
bis heute nicht realisiert werden konnte. Durch den Zusammenbruch des imperialistischen<br />
Kolonialsystems mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich die ökonomischen<br />
Bedingungen <strong>für</strong> den westlichen Kapitalismus in der Dritten Welt modifiziert. Heute<br />
sei die Frage die, wie die jungen Staaten das Erbe des Kolonialismus überwinden <strong>und</strong><br />
nach der politischen auch ihre ökonomische Unabhängigkeit erlangen könnten. Für die<br />
Kolonialwirtschaft war ein niedriges Niveau der Produktivkräfte <strong>und</strong> „eine einseitige, unorganische<br />
Wirtschaftsstruktur typisch. Im Gr<strong>und</strong>e genommen war der größte Teil der<br />
23<br />
Vgl. in den einschlägigen Titeln, z. B. Einführung, S. 283 ff.<br />
24<br />
Vgl. etwa ibd., S. 304ff.<br />
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