Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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nimmt: Sich konzentrieren, wenn nicht äußere Umstände dazu zwingen, will erst gelernt<br />
sein. Gelassenheit, Willensinitiative, Positivität <strong>und</strong> Unbefangenheit sind Eigenschaften,<br />
die sich der Übende anerziehen soll. Die Konzentration öffnet den Weg zu Kontemplation<br />
<strong>und</strong> Meditation. In „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“ <strong>und</strong> der „Geheimwissenschaft“<br />
treten die aus der Dialektik bekannten Gedankenmotive als Meditationsinhalte<br />
auf: Man soll sich ein lebendiges Gefühl <strong>für</strong> die Polarität von Aufbau- <strong>und</strong> Abbauprozessen<br />
in der Natur, <strong>für</strong> die Lebenszustände der Naturwesen erwerben. Man soll<br />
sich immer wieder in die in einem Pflanzensamenkorn verborgenen Werdekräfte versenken<br />
oder in der „Rosenkreuzmeditation“ erleben, wie Höherentwicklung mit Einseitigkeit<br />
verb<strong>und</strong>en ist (Begierdenhaftigkeit <strong>und</strong> Aggressivität im Tier- gegenüber dem Pflanzenreich)<br />
<strong>und</strong> wie der geläuterte, gereifte <strong>und</strong> dadurch freigewordene Mensch schließlich<br />
etwas von der Reinheit des pflanzlichen Daseins auf höherer Ebene wiedergewinnt. Das<br />
Sinnbild des schwarzen Kreuzes, ans dessen Mitte sieben rote Rosen wachsen, ist die<br />
Bild gewordene „Negation der Negation“. 44<br />
Steiner hat nie <strong>für</strong> sich ein Erkenntnismonopol postuliert oder gläubige Unterwerfung<br />
unter seine Autorität verlangt, vielmehr stets an den ges<strong>und</strong>en Menschenverstand <strong>und</strong><br />
das individuelle Urteil appelliert <strong>und</strong> darauf gebaut, daß der von ihm gebahnte Erkenntnisweg<br />
von möglichst vielen Menschen in Selbständigkeit beschritten werden würde. Man<br />
kann gelegentlich hören, die anthroposophische Erkenntnismethode verstoße gegen das<br />
Kriterium der Intersubjektivität. Doch muß schließlich auch die etablierte Wissenschaft in<br />
bezug auf die intersubjektive Prüfung die Beherrschung der entsprechenden Erkenntnismittel<br />
durch die Prüfenden voraussetzen. So kann also das Problem nur darin bestehen,<br />
daß bisher zu wenige Menschen in das von Steiner aufgewiesene Gebiet soweit eingedrungen<br />
sind, daß sie sich in kompetenter Weise an einer intersubjektiven Prüfung beteiligen<br />
könnten. Das Pionierhafte seines Weges kann gegen Steiner jedoch nicht ernsthaft<br />
als Argument herangezogen werden.<br />
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44 Vgl. GA 10, S. 32f., 44f.; GA 13, S. 229f.