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Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

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maßgebend ist die Zeit, in der er das nächste Paar Stiefel verfertigt haben wird.“ 12 Vernünftigerweise<br />

müssen Preise verlangt werden, die die künftigen Betriebskosten decken:<br />

alles ökonomische Handeln ist zukunftsbezogen.<br />

Die Herausbildung eines richtigen Preises darf aber nicht dem Walten der anonymen<br />

Marktkräfte überlassen werden, die dann im Sinne der volkswirtschaftlichen Theorie von<br />

Adam Smith hinter dem Rücken der Produzenten, die alle nur ihre eigensüchtigen Interessen<br />

ohne Rücksicht auf das Ganze verfolgen, wie durch eine unsichtbare Hand das<br />

allgemeine Wohl hervorbringen. Die bedarfsgerechten Proportionen der Volkswirtschaft,<br />

dies ist ein gemeinsamer Zug bei Marx <strong>und</strong> Steiner, sind bewußt zu bewirken.<br />

Der Ausdruck ,Lohnformel‘ könnte die Mißdeutung provozieren, daß es sich hierbei<br />

schließlich doch um einen Ausdruck des „Preises der Arbeitskraft“ handelt, sozusagen<br />

um ihren gerechten Preis. „Geradeso wie sich die Nachfolger von Plato <strong>und</strong> Aristoteles<br />

entschließen mußten zu sagen: Der Mensch als Sklave darf nicht Ware sein -, so müssen<br />

eben die Nachfolger der heutigen Menschheit sagen lernen: Auf keinen Fall darf die Arbeitskraft<br />

Ware sein -, sondern durch andere Impulse muß der Mensch zum Dienen, zum<br />

Arbeiten <strong>für</strong> seine Mitmenschen getrieben werden [...]“ 13 . Zu arbeiten <strong>und</strong> ein Einkommen<br />

zu erzielen, sind, Steiners <strong>soziale</strong>m Hauptgesetz zufolge, zwei ganz verschiedene Dinge.<br />

Wenn heute jedermann des „Erwerbs“ wegen arbeitet bzw. arbeiten muß, so ist dies ein<br />

Anachronismus in einer durch die Arbeitsteilung objektiv altruistisch verfaßten Wirtschaft.<br />

Der Akzent liegt denn auch bei der Steinerschen Formel weniger darauf, welche Preise<br />

zu verlangen, als darauf, welche zu zahlen sind: Die Triebfeder der Produktion soll werden<br />

der Bedarf des jeweils anderen, der Gesichtspunkt der „Entlohnung“ der Dienste des<br />

anderen über den Preis soll sein die Existenzsicherung dieses anderen. So verlangt es<br />

das „<strong>soziale</strong> Hauptgesetz“ als Ausdruck der Lebensbedingungen der Ökonomie einer<br />

humanen Gesellschaft. Man könnte es deshalb auch Steiners „ökonomisches Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

des Sozialismus“ nennen, das er dem kapitalistischen Gesetz - Jagd nach Mehrwert<br />

oder Plusmacherei - entgegenhält.<br />

Steiner kritisiert wie Marx den falschen Schein vom Lohn als Preis der Arbeit, wie den<br />

anderen vom Profit als ,Unternehmerlohn‘. Er geht aber noch einen Schritt über Marx<br />

hinaus: Die Rede vom Preis der Arbeitskraft ist <strong>für</strong> ihn nicht weniger eine Mystifikation als<br />

die Rede vom Preis der Arbeit. Einen Wert <strong>und</strong> Preis können in Wahrheit nur die erzeugten<br />

Güter <strong>und</strong> Dienste haben, darunter die Waren, die Elemente der Lebensmittel des<br />

Arbeitenden bilden. Wenn der Kapitalist sein Produktionsmittelmonopol ausnutzt, um die<br />

Löhne auf das Existenzminimum <strong>und</strong> seine Profite damit auf ein Maximum zu bringen, so<br />

unterwirft er zwar die Arbeitskraft Angebot <strong>und</strong> Nachfrage, der „Kauf“ der Arbeitskraft<br />

bleibt aber immer ein Scheingeschäft, freilich <strong>für</strong> das Kapital ein sehr profitliches. In Wirklichkeit<br />

gibt es unter den Bedingungen hochentwickelter Arbeitsteilung gar keine objektive<br />

Methode, „um den Anteil irgendeines Menschen am Bruttosozialprodukt festzulegen, <strong>und</strong><br />

das bedeutet gleichzeitig, daß es kein objektives Verfahren gibt, um Arbeit zu entlohnen“.<br />

14<br />

Die vorgenannten Überlegungen führen Steiner zu einem Begriff der Ausbeutung, der<br />

zwar ebenso objektiv-funktional sein will wie der Marxsche, aber doch eine deutlich unterschiedliche<br />

Nuancierung aufweist: Ausbeutung besteht demnach im Erwerb von „Dingen,<br />

die nicht genügend bezahlt werden.“ Sie hat damit zu tun, „daß unsere Einrichtungen<br />

oder die uns umgebenden Verhältnisse auf den persönlichen Eigennutz aufgebaut<br />

sind“, <strong>und</strong> zwar im Sinne jenes soeben beschriebenen Anachronismus. 15 Wer Güter <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen so billig wie möglich erwerben will, läßt sich nicht vom Gesichtspunkt<br />

der Existenzsicherung des Produzenten (Lohnformel), sondern von Gedanken an den<br />

eigenen Profit leiten. Objektiv ist es dabei nicht entscheidend, ob er großer oder kleiner<br />

Verbraucher ist, wenn man auch den Ärmeren, den die Knappheit seiner Mittel zum Billigkauf<br />

treibt, subjektiv eher entschuldigen wird. Doch ist schließlich der Marxschen Theorie<br />

zufolge auch dem Kapitalisten das ausbeuterische Verhalten nicht subjektiv zuzurechnen,<br />

da es ihm die Gesetze der Konkurrenz bei Strafe des Untergangs aufzwingen. Um<br />

so schärfer stellt sich dann <strong>für</strong> Steiner die Frage nach der Ersetzung von Verhältnissen<br />

<strong>und</strong> Einrichtungen, denen solche Zwänge innewohnen, <strong>und</strong> nach der Überwindung von<br />

Vorstellungen <strong>und</strong> Haltungen, die solche Einrichtungen perpetuieren helfen, durch ande-<br />

148<br />

12 GA 340, S. 67f.<br />

13 GA 188, S. 200.<br />

14 Löbl, Wirtschaft am Wendepunkt, S. 240f., zit. nach Huber 1978, S. 46.<br />

15 Geisteswiss. u. <strong>soziale</strong> Frage, in GA 34, S. 206.

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