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Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

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lent, das Geld, auf den Plan tritt. Das Geld ermöglicht u.a. die Spezialisierung einzelner<br />

auf den Handel, also eine erneute Teilung der Arbeit. Daraus <strong>und</strong> aus dem wachsenden<br />

Mehrprodukt erwächst die Möglichkeit der Anhäufung <strong>und</strong> Umverteilung des Reichtums<br />

zugunsten einer Minderheit: Ausbeutung wird möglich. Bereits mit der Seßhaftwerdung<br />

als Folge des Ackerbaus wird die Verwendung von Gefangenen aus Stammeskämpfen<br />

als Sklaven „sinnvoller“ als ihre Tötung. Die ersten städtischen Siedlungen entstehen.<br />

Alle diese Faktoren zersetzen die Urgesellschaft, an deren Stelle nun - zuerst in den<br />

Stromkulturen von Nil, Euphrat, Jangtsekiang usw. - die ersten Klassengesellschaften<br />

treten. Wo „die Sklaverei Gr<strong>und</strong>lage der gesellschaftlichen Produktion wurde, entstand<br />

die Sklavenhalterformation. Ihre Blüte <strong>und</strong> klassische Form entfaltete sich im Mittelmeerraum<br />

[...] Zu Sklaven gelangte man hier hauptsächlich durch Eroberungen [...] Gewöhnlich<br />

dienen Griechenland <strong>und</strong> Rom als jenes „Modell“, nach dem wir über die gesamte<br />

Formation urteilen. Ein solches Herangehen ist jedoch nicht historisch exakt. In Indien,<br />

China <strong>und</strong> in einer Reihe von Staaten des Nahen Ostens vollzog sich die Entwicklung in<br />

etwas anderen Formen. Dort erfuhr die Sklaverei keine so breite Entwicklung wie in Griechenland<br />

<strong>und</strong> Rom. Ein System relativ abgeschlossener Dorfgemeinschaften <strong>und</strong> ein<br />

zentralisierter despotischer Staat, der neben den politischen Funktionen die ökonomische<br />

Funktion der Errichtung <strong>und</strong> Erhaltung von Bewässerungsanlagen ausübte, von denen<br />

das Gedeihen des Ackerbaus abhing, <strong>und</strong> eine strenge Einteilung in Kasten bildeten<br />

einen spezifischen Gesellschaftstyp, dem eine Produktionsweise zugr<strong>und</strong>e lag, die Marx<br />

als asiatische Produktionsweise bezeichnete. Diese Gesellschaft, die in Asien, aber auch<br />

in einer Reihe von Ländern Afrikas (Ägypten) existierte, war eine Klassengesellschaft [...],<br />

jedoch wurden verschiedene Gemeinschaftsbeziehungen konserviert, was sich in der<br />

Unterentwickeltheit des Privateigentums am Boden ausdrückte.“ Ob es sich hierbei um<br />

eine eigene Formation handelt, ist unter den marxistischen Forschern umstritten, einig ist<br />

man sich aber darin, „daß es sich um einen spezifischen Typ <strong>soziale</strong>r Organisation handelt,<br />

den ein hohes Maß an Stagnation kennzeichnete, was ihn von der (nach damaligen<br />

Maßstäben betrachteten) dynamischen Welt des Mittelmeerraums stark unterscheidet.“ 59<br />

Die feudale Gesellschaft ist eine Höherentwicklung, doch, „insgesamt gesehen, ist<br />

auch der Feudalismus eine stagnierende Gesellschaft. Eine auf Routine gegründete<br />

Technik, örtliche Abgeschlossenheit <strong>und</strong> Isoliertheit, eine schwache Entwicklung der Verkehrswege<br />

<strong>und</strong> der Nachrichtenmittel, die Existenz einer strengen <strong>und</strong> unveränderlichen<br />

Regelung <strong>für</strong> alle Arten von Tätigkeiten, die Standesschranken, der Druck der Traditionen,<br />

eine brutale Reglementierung des geistigen Lebens durch die Kirche [...], das alles<br />

hemmte progressive Veränderungen [...] Die Entwicklung der Arbeitsteilung, das Anwachsen<br />

der Ware-Geld-Beziehungen, das Aufkommen neuer Märkte usw. riefen neue<br />

Produktivkräfte ins Leben, die Kooperation <strong>und</strong> die Manufaktur, die, wie wir wissen, die<br />

Bedingungen <strong>für</strong> die Entstehung der maschinellen Produktion vorbereiteten. Die neuen<br />

Produktivkräfte erforderten auch neue ökonomische <strong>und</strong> <strong>soziale</strong> Formen, die ihrer Entwicklung<br />

Raum gaben. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e mußte der Feudalismus einer neuen ökonomischen<br />

Gesellschaftsformation, der kapitalistischen, den Platz abtreten.“ 60 Der Kapitalismus<br />

führt zu einer enormen Steigerung des gesellschaftlichen Entwicklungstempos. Im<br />

„Kommunistischen Manifest“ heißt es dazu: „Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne<br />

[...] sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren [...] ewige<br />

Unsicherheit <strong>und</strong> Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen früheren aus [...]<br />

Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnten Absatz jagt die Bourgeoisie über die ganze<br />

Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen.“<br />

61<br />

In der Sklavenhaltergesellschaft sind die stofflichen <strong>und</strong> lebendigen Elemente der<br />

Produktivkräfte privates Eigentum (das römische Recht nennt sie denn auch „sprechende“<br />

<strong>und</strong> „nicht-sprechende Werkzeuge“). Das feudalistische System basiert auf dem großen<br />

Gr<strong>und</strong>eigentum. Hier beutet der Feudalherr als Eigentümer den von ihm persönlich<br />

abhängigen Bauern aus, indem er ihn zum Frondienst oder zu bestimmten Abgaben<br />

zwingt. Die kapitalistische Wirtschaftsstruktur ist durch das Privateigentum der Kapitalisten<br />

an den Fabriken, Bergwerken usw. bestimmt, <strong>und</strong> auf der anderen Seite durch die<br />

Existenz des doppelt freien Lohnarbeiters - frei von persönlicher Abhängigkeit <strong>und</strong> von<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Existenzmitteln -, der gezwungen ist, seine Arbeitskraft als Ware an den<br />

Kapitalbesitzer zu veräußern.<br />

118<br />

59 ibd. 324f.<br />

60 ibd. 32Sf.<br />

61 MEW 4, S. 46S.

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