Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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Wirtschaftslebens <strong>und</strong> einige Besonderheiten der <strong>soziale</strong>n Psychologie verb<strong>und</strong>en ist.<br />
Auch die Nationalkultur spielt hier eine Rolle. Ein Problem besonderer Art bilden die Vielvölkerstaaten.<br />
Die Rolle des Nationalismus sieht der <strong>Marxismus</strong> differenziert: Nationalismus kann<br />
progressiv sein, so heute in der Dritten Welt, aber auch reaktionär, etwa dann, wenn er<br />
sich gegen die brüderliche Zusammenarbeit der sich einander annähernden Nationen im<br />
Sozialismus-Kommunismus wendet; eine Formulierung, die vielerlei Interpretationen<br />
Raum gibt, wie die Bekämpfung reformkommunistischer Bewegungen - z. B. in Jugoslawien<br />
oder der CSSR - als nationalistisch beweist. Selbstverständlich wendet man sich<br />
auch gegen alle Versuche, den Gedanken der nationalen Solidarität gegen den Klassenkampf<br />
auszuspielen <strong>und</strong> die Kommunisten als vaterlandslose Gesellen darzustellen, wie<br />
es einst der Kaiser Wilhelm mit den Sozialdemokraten tat. Mit Entschiedenheit tritt man<br />
jedem Chauvinismus <strong>und</strong> Rassismus entgegen, der Gleichheit <strong>und</strong> Brüderlichkeit der<br />
Menschen negiert. Die Kommunisten sind jedoch in bezug auf den nationalen Gedanken<br />
keine Nihilisten: sie wollen zugleich „proletarische Internationalisten“, Anhänger der internationalen<br />
Solidarität des Proletariats, <strong>und</strong> Patrioten sein. Im Vielvölkerstaat Sowjetunion<br />
will man den Gedanken der Gleichberechtigung <strong>und</strong> Freiheit der Nationen verwirklichen,<br />
die brüderlich zusammenarbeiten sollen. In der künftigen durch den Kommunismus geschaffenen<br />
Kultur soll das Beste aller Nationalkulturen aufgehen <strong>und</strong> zugleich aufbewahrt<br />
sein. Man rechnet mit der Herausbildung einer gemeinsamen Sprache, die nicht mit einer<br />
der bestehenden Sprachen identisch sein soll. 11<br />
In den Auffassungen des <strong>Marxismus</strong> über das <strong>soziale</strong> Leben der Menschheit spielt<br />
auch das Verhältnis von Staat <strong>und</strong> Revolution <strong>und</strong> die Beziehung von Krieg <strong>und</strong> Frieden<br />
eine große Rolle. Dem jungen Marx gilt der Staat als das entfremdete Gattungswesen<br />
des Menschen 12 . Heute wird vor allem betont, daß der Staat ein Instrument der Klassenherrschaft,<br />
ein Produkt der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze ist. Engels hat ausgeführt<br />
13 , wie erst mit dem Entstehen Privateigentums die alte „Gentilverfassung“, eine<br />
primitive Form der gesellschaftlichen Selbstverwaltung, durch eine besondere Gewalt<br />
ersetzt wird, die Bestandteil des gesellschaftlichen Überbaus ist, die Klassenbeziehungen<br />
im Interesse der herrschenden Klasse durch Rechtsnormen regeln soll <strong>und</strong> auch den<br />
Schutz der Gesellschaft nach außen übernimmt. Sie erzwingt mit Gewalt die Einhaltung<br />
dieser Rechtsnormen, die Brauch, Tabu <strong>und</strong> Gebot ersetzen bzw. an ihre Seite treten. Mit<br />
dem Staat entsteht die Politik - „konzentriertester Ausdruck der Ökonomik“ (Lenin) - als<br />
eine Form des Handelns von Klassen in bezug auf den Staat. Das politische Leben<br />
schließt, besonders in der neueren Zeit, auch die Bildung politischer Organisationen<br />
(Bünde, Parteien usw.) ein, die die Interessen von Klassen oder Klassenfraktionen verfechten.<br />
Bei den verschiedenen Staatstypen, die sich geschichtlich entwickelt haben -<br />
Despotie, Imperium, Aristokratie, Demokratie, Oligarchie - gilt als die entscheidende Frage<br />
immer die nach ihrem „Klassenwesen“, danach, wessen Klasseninteressen durch die<br />
jeweilige Herrschaftsform durchgesetzt werden sollen. Die wichtigste Typisierung der<br />
Staaten ist daher die Unterscheidung in Sklavenhalterstaaten, Feudalstaaten, kapitalistische<br />
<strong>und</strong> sozialistische Staaten.<br />
Der westliche Parlamentarismus gilt keineswegs als die „reine Demokratie“, die er im<br />
eigenen Selbstverständnis darstellt, sondern letztlich doch als Organ „imperialistischer<br />
Klassenherrschaft“, das freilich partiell von der Arbeiterbewegung <strong>und</strong> den antimonopolistischen<br />
Kräften umfunktioniert werden kann. Schon Lenin schrieb, der moderne Kapitalismus<br />
tendiere zum Demokratieabbau. Gerade deshalb gilt der Kampf der Arbeiterbewegung<br />
<strong>für</strong> die bürgerlich-demokratischen Freiheiten, die sie wie die Luft zum Atmen brauche,<br />
als besonders wichtig. Nach wie vor hält der größte Teil der marxistischleninistischen<br />
Theoretiker <strong>für</strong> die Errichtung des Sozialismus eine „Diktatur des Proletariats“<br />
<strong>für</strong> erforderlich. Die Notwendigkeit einer solchen Diktatur, die <strong>für</strong> ihn mit der „Erkämpfung<br />
der Demokratie“ identisch ist, hatte Marx <strong>für</strong> eine seiner wesentlichsten Entdeckungen<br />
gehalten; er hatte sie aber <strong>für</strong> eine kurzfristige Übergangsregelung gehalten, um die<br />
notwendigen rigorosen Eingriffe in das Eigentumsrecht vornehmen zu können. 14<br />
11 ibd. 383.<br />
12 MEW 1, z.B. 354f., 369f., wo es heißt, erst wenn der individuelle Mensch den abstrakten Staatsbürger in<br />
sich zurücknehme <strong>und</strong> in seinem konkreten Leben gemeinschaftlich werde, sei die menschliche Emanzipation<br />
vollbracht.<br />
13 Der Ursprung der Familie ..., MEW 21.<br />
14 Vgl. MEW 4, S. 481f.; Brief an Wedemeyer vom 5. 3. 1852; MEW 28, S. 507f.; vgl. MEW 19, S. 27ff. Dort<br />
spricht sich Marx gegenüber Lassalle i.ü. gegen jede Volkserziehung durch den Staat aus, Regierung <strong>und</strong><br />
Kirche seien vom Einfluß auf die Schule auszuschließen!<br />
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