Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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ideologie“). Im Lohnsystem wurden Höchstleistungen von Schrittmachern prämiert („Stachanow-System“).<br />
Mit diesem System wurde die ökonomische Rückständigkeit eines<br />
Landes wie Rußland überw<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> es bewährte sich in der Kriegswirtschaft unter den<br />
Bedingungen des härtesten Kampfes gegen ausländische Invasoren, indem es die Konzentration<br />
aller Kräfte auf die lebenswichtigen Schwerpunktaufgaben ermöglichte. Nach<br />
dem Weltkrieg erwies es sich jedoch als der veränderten Produktions- <strong>und</strong> Qualifikationsstruktur<br />
nicht mehr angemessen - es hinderte die notwendige Diversifizierung der Produktion<br />
<strong>und</strong> lähmte die Initiative der ,Kader‘. So wurde die Reform zur objektiven Notwendigkeit.<br />
Bei Beibehaltung der zentralen Festlegung der volkswirtschaftlichen Gr<strong>und</strong>proportionen<br />
wurde die Selbständigkeit der einzelnen Regionen <strong>und</strong> der einzelnen Betriebe entscheidend<br />
verstärkt, mit dem Ziel, die Effektivität der Volkswirtschaft <strong>und</strong> das wissenschaftliche<br />
Niveau der Planung wesentlich zu erhöhen. Zu diesem Zweck sollten nun<br />
auch die ökonomischen Methoden der Wirtschaftsführung den Vorrang vor den administrativen<br />
erhalten. Hauptelemente der Reform waren in der Sowjetunion z.B.: Vervollkommnung<br />
der Leitung - Übergang vom Territorial- zum Branchenprinzip, Vervollkommnung<br />
der Planung: Vereinigung von Betrieben zu „Kombinaten“, Verringerung der zentralen<br />
Planauflagen (nicht mehr Bruttoproduktkennziffern, sondern solche <strong>für</strong> die tatsächlich<br />
abgesetzte Produktion sind nun maßgebend), Einsatz von materiellen Anreizen, die Bedeutung<br />
des Betriebsgewinns wird erhöht - dieser soll sich jedoch durch seine Quellen<br />
<strong>und</strong> die Art seiner Aneignung gr<strong>und</strong>sätzlich vom kapitalistischen Profit unterscheiden.<br />
Das erwirtschaftete Betriebsergebnis blieb nun z.B. in der SU zu 20% (vorher 5%) in der<br />
Verfügung der Betriebe, was diese zur Verbesserung ihrer Arbeit stimulieren, sie an hoher<br />
Leistung ökonomisch interessieren sollte. Man schuf drei neue Fonds der Stimulierung:<br />
den Prämienfonds (bei guter Planerfüllung bzw. Übererfüllung gibt es <strong>für</strong> die Arbeiter<br />
die begehrte Jahresendprämie), einen sozialkulturellen Fonds, aus dem z.B. Wohnungen<br />
finanziert werden, sowie einen Fonds der Produktionsentwicklung. Gegenüber<br />
dem „Stachanow-System“ bedeutet dies die Förderung kollektiver Interessiertheit der<br />
Gesamtbelegschaft am Betriebsergebnis.<br />
Man wacht argwöhnisch darüber, daß die Rolle des sozialistischen Staates als Subjekt<br />
der Planung nicht angetastet wird. Gegen die Wirtschaftsreform des Tschechen Ota<br />
Sik, die man in dieser Hinsicht als zu weitgehend empfand, rollten schließlich die Panzer.<br />
Jedoch treibt die ökonomische Notwendigkeit größerer Selbständigkeit der Betriebe gegenüber<br />
dem bürokratischzentralistischen Ansatz immer erneut zu Reformversuchen. So<br />
meldete das Informationsbulletin des ZK der KPdSU am 15.8.1985, daß in der Sowjetunion<br />
eine Reihe wesentlicher Wirtschaftsreformen durchgeführt werden. Sie sehen u.a.<br />
vor: weit stärkere materielle Anreize <strong>für</strong> die Qualität der Produktion als bisher <strong>und</strong> eine<br />
objektivere Bewertung dieser Qualität; die Betriebe können ab sofort über Rationalisierungsinvestitionen<br />
in Höhe von umgerechnet 13 Mio DM in der Schwer- <strong>und</strong> 8 Mio in der<br />
übrigen Industrie selbst entscheiden; erfolgreiche Exportbetriebe können selbst über die<br />
Devisen verfügen; die Betriebe dürfen über Jahre hinweg Kapital <strong>für</strong> größere Investitionen<br />
akkumulieren <strong>und</strong> es zwischenzeitlich über die Banken verleihen. 30<br />
Die Produktionsverhältnisse sollen nach marxistischer Gr<strong>und</strong>überzeugung die Distributionsverhältnisse<br />
bestimmen. In der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation<br />
kann jedoch noch nicht soviel verteilt werden, daß jedem nach allen seinen<br />
Bedürfnissen gegeben werden kann. Es soll daher das Gesetz der Verteilung nach Leistung<br />
gelten: nach Quantität <strong>und</strong> Qualität der geleisteten Arbeit wird die Entlohnung bemessen.<br />
Dieses Gesetz ist nicht nur bedingt durch das Niveau der Entwicklung der Produktivkräfte,<br />
das noch keinen Überfluß ermöglicht, sondern auch durch den Charakter der<br />
sozialistischen Arbeit (die ausbeutungsfrei geleistet wird, aber noch nicht <strong>für</strong> alle ein Lebensbedürfnis<br />
geworden ist, so daß auf die erzieherische Funktion der Bezahlung nach<br />
Leistung nicht verzichtet werden kann). Außerdem existieren, so wird argumentiert, noch<br />
Unterschiede im Inhalt der Arbeit, zwischen komplizierter <strong>und</strong> einfacher, vorwiegend körperlicher<br />
<strong>und</strong> vorwiegend geistiger Arbeit - die Arbeit ist objektiv ungleich produktiv.<br />
Durch das Gesetz der Verteilung nach Leistung wird zugegebenermaßen eine gewisse<br />
Ungleichheit in Einkünften <strong>und</strong> Lebensstandard bedingt. Man versucht eine Einkommenstruktur<br />
zu verwirklichen, die zwischen Gleichmacherei <strong>und</strong> ungerechtfertigt hohen<br />
Einkommensunterschieden die rechte Mitte hält. Gleichheit ist also im Sozialismus noch<br />
nicht voll verwirklicht - soll aber, im Gegensatz zum Kapitalismus, bereits hinsichtlich der<br />
144<br />
30 Nach Deutsche Volkszeitung - die tat, Düsseldorf, Nr. 37, 13.9.85, S. 8.