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Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

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Marx selber bereits von Faktoren spricht, die dem vollen Durchschlagen der Verelendungstendenz<br />

entgegenwirken <strong>und</strong> daß auch Engels <strong>und</strong> Lenin das Gesetz nicht im Sinne<br />

einer absoluten physischen Verelendung aufgefaßt haben. 11<br />

Der zweite Band des Marxschen „Kapital“ behandelt die Reproduktion <strong>und</strong> Zirkulation<br />

des Kapitals. Am Kapital können nicht nur drei wertmäßige, sondern auch drei funktionelle<br />

Formen unterschieden werden, das Geldkapital (flüssige Mittel), das produktive, d.h. in<br />

Produktionsmitteln geb<strong>und</strong>ene Kapital <strong>und</strong> das Warenkapital, die verkaufsfertigen Produkte.<br />

Es sind dies Formen, die sich fortwährend ineinander metamorphosieren müssen,<br />

ein Prozeß, in dem Stockungen <strong>und</strong> Krisen auftreten können. Marx nennt diese Metamorphose<br />

den periodischen Umschlag des Kapitals. Sein Tempo ist in den verschiedenen<br />

Branchen sehr unterschiedlich. Die Umschlagszeit, d.h. die Zeit bis zur Rückverwandlung<br />

des Waren- in Geldkapital, setzt sich aus der Produktions- <strong>und</strong> Zirkulationszeit<br />

zusammen. Innerhalb des produktiven Kapitals unterscheidet Marx fixes <strong>und</strong> zirkulierendes<br />

Kapital, wobei er unter letzterem jenen Teil versteht, dessen Wert voll auf die neue<br />

Ware übertragen wird. Man versucht, das fixe Kapital - z. B. durch mehrschichtige Auslastung<br />

von Anlagen - maximal zu nutzen, denn es verschleißt nicht nur physisch - was<br />

sich buchhalterisch in den Abschreibungen niederschlägt -, sondern auch „moralisch“,<br />

d.h. es kann durch neue <strong>und</strong> bessere Maschinen, die auf den Markt kommen, entwertet<br />

werden. In einer Produktionsperiode ist die eigentliche Arbeitszeit <strong>und</strong> die Zirkulationszeit<br />

zu unterscheiden, d.h. die Zeit <strong>für</strong> Lagerung, Transport usw. Da die letztere <strong>für</strong> die eigentliche<br />

Wertbildung nicht in Betracht kommt, versuchen die Kapitalisten, solche „faux frais“<br />

(tote Kosten) - heute z.B. durch Einsatz von EDV usw. - möglichst gering zu halten. 12<br />

Was die Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals angeht, so erfordert sie<br />

bestimmte Proportionen zwischen der Abteilung I (Produktion von Produktionsmitteln)<br />

<strong>und</strong> II (Produktion von Konsumtionsmitteln). Soll erweiterte Reproduktion, also Wachstum<br />

stattfinden, muß I schneller wachsen als II. Da im Kapitalismus solche Proportionen nicht<br />

von vornherein planmäßig eingehalten werden, sondern allenfalls indirekt <strong>und</strong> nachträglich<br />

beeinflußt werden können, setzen sie sich nur unter Reibungsverlusten <strong>und</strong> Krisen<br />

durch.<br />

Den Kritikern von Marx ist seit jeher als ein Gegenargument gegen die Mehrwerttheorie<br />

die Tatsache erschienen, daß in der wirtschaftlichen Praxis nicht mit Mehrwertraten,<br />

also dem Verhältnis von m zu v, sondern mit Renditen, d.h. dem Verhältnis des Profits<br />

zum gesamten vorgeschossenen Kapitel (c + v) operiert wird. Marx thematisiert dieses<br />

Problem bei der Behandlung der Kategorien Profit <strong>und</strong> Produktionspreis im dritten Band<br />

des „Kapital“: Für den Kapitalisten ist die Arbeit ein Kostenfaktor genauso wie die Maschinerie,<br />

<strong>und</strong> weil ihm beide in der Praxis gleich gelten, stellt er sich den Mehrwert als<br />

Abkömmling des gesamten vorgeschossenen Kapitals vor. Die Profitrate oder Rendite<br />

kann nun in der Tat bei gleichbleibender Mehrwertrate, infolge wachsender „organischer<br />

Zusammensetzung des Kapitals“ (d.h. infolge des Wachstums von c gegenüber v + m)<br />

sinken. Dennoch bleibt die Masse von Mehrwert <strong>und</strong> Profit dieselbe, was die Abhängigkeit<br />

des Profits vom Mehrwert beweist. Da jedoch <strong>für</strong> Investitionsentscheidungen die<br />

Profitrate der entscheidende Parameter ist, wird - unter den Bedingungen freier Konkurrenz<br />

- Kapital aus Branchen mit überdurchschnittlicher organischer Kapitalzusammensetzung<br />

abgezogen <strong>und</strong> strömt in die profitträchtigen Anlagesphären - bis Übersättigung<br />

wiederum zum Abfluß führt. Durch diese Kapitalwanderungen <strong>und</strong> die Konkurrenz innerhalb<br />

der Branchen gleichen sich die unterschiedlichen Profitraten permanent zu einer<br />

Durchschnittsprofitrate aus, die „auf ein Kapital von gegebener Größe fällt, welches immer<br />

seine organische Zusammensetzung“. 13 Die so entstehenden Preise (Kostpreis +<br />

Durchschnittsprofit) bezeichnet Marx als Produktionspreise, um die die Marktwerte nun<br />

schwanken, - nach Meinung von Kritikern eine Außerkraftsetzung, nach Auffassung Marxens<br />

nur eine Metamorphose des Wertgesetzes, dessen Geltung sich weiterhin in der<br />

Identität von Profit- <strong>und</strong> Mehrwertmasse in bezug auf das gesellschaftliche Gesamtkapital<br />

zeigt.<br />

Zwischen dem Zweck der Verbesserung der Verwertungsbedingungen des Kapitals<br />

<strong>und</strong> den dazu notwendig anzuwendenden Mitteln, nämlich der Ausweitung des Einsatzes<br />

von Maschinen, kommt es zu einem Widerspruch, der - wenn er auch zeitweilig durch<br />

entgegenwirkende Faktoren gedämpft werden mag - <strong>für</strong> die kapitalistische Produktionsweise<br />

sprengend wirken muß, indem er ihr den Stachel der Entwicklung zu rauben droht:<br />

138<br />

11 MEW 23, S. 674. LW 4, S. 195ff., MEW 22, S. 231.<br />

12 Vgl. die Marxsche Darstellung in MEW 24.<br />

13 MEW 2S, S. 167. Vgl. die Darstellung in MEW 2S zu diesem Komplex insgesamt.

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