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Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

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dung des Affen“ 17 geschildert hat; Modifikationen aufgr<strong>und</strong> neuer F<strong>und</strong>e beziehen sich auf<br />

Details, nicht auf das Wesen der Sache:<br />

Die affenähnlichen Menschenvorfahren, die auf Bäumen lebten, wurden durch veränderte<br />

Umweltbedingungen (Versteppung ihres Lebensraums) gezwungen, auf ebener<br />

Erde zu leben. Da sie nur über unspezialisierte Greifwerkzeuge verfügten <strong>und</strong> natürlicher<br />

Waffen ermangelten, mußten sie zur Verteidigung gegen Raubtiere vorgef<strong>und</strong>ene Steine<br />

verwenden, die bald auch zur Jagd genutzt wurden. Die „Erfordernisse der systematischen<br />

Nutzung von Werkzeugen“ zwangen sie, Schritt <strong>für</strong> Schritt zur Bearbeitung der<br />

Materialien überzugehen, die sie in der Natur fanden, <strong>und</strong> schließlich zur Produktion der<br />

Werkzeuge. Das alles führte zu einer wesentlichen Veränderung der vorderen Gliedmaßen.<br />

Sie paßten sich den neuen Operationen an <strong>und</strong> wurden zu einem natürlichen Werkzeug<br />

der Arbeitstätigkeit.“ 18 Man nimmt an, daß die sich ,im Arbeitsprozeß entwickelnde<br />

Hand die Vervollkommnung des gesamten Organismus, auch des Gehirns“ beeinflußte;<br />

„Arbeit zuerst, nach <strong>und</strong> mit ihr die Sprache, das sind die beiden Antriebe, unter deren<br />

Einfluß das Gehirn eines Affen in das bei aller Ähnlichkeit weit größere <strong>und</strong> vollkommenere<br />

eines Menschen allmählich“ überging, schrieb Engels: „[...] im Verhältnis, wie der<br />

Mensch die Natur verändern lernte, in dem Verhältnis wuchs auch seine Intelligenz.“ 19 Mit<br />

dem Gehirn vervollkommneten sich auch die Sinnesorgane, die „Logik des praktischen<br />

Handelns wurde im Gedächtnis fixiert <strong>und</strong> verwandelte sich in die Logik des Denkens. Es<br />

bildete sich die Fähigkeit zur Zielsetzung heraus.“ 20<br />

Zunächst überblickten die Menschen, so nimmt man an, ihre Handlungen <strong>und</strong> ihre<br />

Umgebung nur begrenzt, kamen nicht über sinnliche Vorstellungen <strong>und</strong> einfache Verallgemeinerungen<br />

hinaus. Aber langsam klärte sich das Bewußtsein, es bildeten sich Urteils-<br />

<strong>und</strong> Schlußvermögen. Die sich im Gegensatz zum natürlichen Milieu rasch verändernde<br />

gesellschaftliche Umwelt führte zur Herausbildung immer neuer bedingtreflektorischer<br />

Bewußtseinsleistungen: die Menschen lernten auf allen Gebieten dazu.<br />

Und das Tempo dieses Lernens steigerte sich mit der Entstehung der Sprache, die die<br />

Weitergabe von Erfahrungen an künftige Generationen ermöglicht, so daß menschliches<br />

Wissen ständig akkumuliert wurde; die Erfindung der Schrift stellte einen qualitativen<br />

Sprung dar, der die Möglichkeiten solcher Akkumulation noch erheblich erweiterte.<br />

„Der ,Geist‘ hat von vornherein den Fluch an sich, mit der Materie ,behaftet‘ zu sein,<br />

die hier in Form von bewegten Luftschichten, Tönen, kurz der Sprache auftritt. Die Sprache<br />

ist so alt wie das Bewußtsein - die Sprache ist das praktische, auch <strong>für</strong> andere Menschen<br />

existierende, also auch <strong>für</strong> mich selbst erst existierende wirkliche Bewußtsein“,<br />

heißt es in der „Deutschen Ideologie“. 21 Die Sprache kann wie das Bewußtsein nur im<br />

Arbeitsprozeß entstehen, „der einheitliche, aufeinander abgestimmte Aktionen der Menschen<br />

verlangt <strong>und</strong> sich nicht ohne engen Kontakt <strong>und</strong> die Kommunikation miteinander<br />

vollziehen konnte.“ 22 Die Sprache hat eine lange Vorgeschichte in den motorischen Reaktionen<br />

<strong>und</strong> Lautreaktionen der Tiere. Aber Tierlaute sind K<strong>und</strong>gabe des tierischen Befindens,<br />

noch keine Gegenstandsbezeichnungen. Erst diese letztere Funktion aber konstituiere<br />

Sprache als Kommunikationsmittel <strong>und</strong> Denkwerkzeug.<br />

Überhaupt kommt man im Detail zu manchen durchaus differenzierten Auffassungen<br />

zum Verhältnis von Sprache <strong>und</strong> Denken. Man unterscheidet zwischen äußerem <strong>und</strong><br />

innerem Sprechen, ideeller Bedeutung <strong>und</strong> materieller Lautung. Mittels der Sprache vollziehe<br />

sich der Übergang von der lebendigen sinnlichen Anschauung zum abstrakten<br />

Denken. Laut oder Schrift seien Zeichen, die Bedeutung dagegen Abbild der Wirklichkeit<br />

- <strong>und</strong> zwar je nach ihrem Allgemeinheitsgrad Abbild sinnlicher oder rationaler Art. In der<br />

Sprache objektiviere der Mensch seine Gedanken <strong>und</strong> Gefühle, bekomme ein freieres<br />

Verhältnis zu ihnen. „Das Bewußtsein widerspiegelt die Wirklichkeit, die Sprache bezeichnet<br />

sie <strong>und</strong> verleiht ihr gedanklichen Ausdruck. Dadurch, daß sich Gedanken <strong>und</strong><br />

Ideen mit einer sprachlichen Hülle umgeben, verlieren sie nicht ihre Spezifik.“ 23 Indem die<br />

Sprache Gedanken, Gefühle <strong>und</strong> Bestrebungen in sinnlich (also auch <strong>für</strong> andere) wahrnehmbare<br />

Form bringt, verleiht sie ihnen gesellschaftliche Relevanz, über die bloß persönliche<br />

hinaus. Weder die Gedanken noch die Sprache bilden jedoch ein Reich <strong>für</strong> sich,<br />

60<br />

17<br />

MEW 3, S. 23; MEW 20, S. 444ff. Zum Gesamtkomplex vgl. Klix 1977.<br />

18<br />

Konstantinow 110f.<br />

19<br />

MEW 20, 447.<br />

20<br />

Konstantinow a.a.O.<br />

21<br />

MEW 3, S. 30.<br />

22<br />

Konstantinow 111f.<br />

23<br />

Konstantinow 113.

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