Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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des Menschen ...“, schreibt er. 40 Feuerbachs Philosophie etabliert „den Menschen als<br />
höchstes Wesen der Natur [...] <strong>und</strong> demgemäß die menschenwürdige Gestaltung des<br />
irdischen, einzigen Daseins des Menschen <strong>und</strong> der zwischenmenschlichen Beziehungen“<br />
als „wichtigsten Gegenstand des Philosophierens.“ 41 Sinnlichkeit gilt ihm „als das einzig<br />
Wahre“ 42 . Auch der „naturwissenschaftliche Materialismus (eingeschlossen den physiologischen<br />
oder ,Vulgärmaterialismus‘ von Vogt, Moleschott, Büchner), der <strong>für</strong> das<br />
19.Jahrh<strong>und</strong>ert im Monismus Haeckels kulminiert, ist wesentlich Feuerbachschem <strong>und</strong><br />
positivistischem Denken verpflichtet.“ 43<br />
Haeckel zieht die Konsequenzen aus Darwins Lehre, dessen Theorie der Entstehung<br />
der Arten durch natürliche Zuchtwahl dem damals vorherrschenden platt-wörtlichen Verständnis<br />
der mosaischen Schöpfungsgeschichte endgültig den Boden entzieht. Gestützt<br />
auf Mendels Entdeckung der Vererbungsgesetze (genetische Kombination <strong>und</strong> Mutation),<br />
erklärt er die Evolution der Organismen aus der Auslese jener Merkmale, die sich unter<br />
dem Gesichtspunkt der Überlebenswahrscheinlichkeit im Daseinskampf um knappe Nahrung<br />
<strong>und</strong> Lebensraum als besonders zweckmäßig erweisen. Solche Merkmale vererben<br />
sich weiter, während die unangepaßten Organismen zugr<strong>und</strong>egehen. Als Neodarwinismus<br />
ist diese Auffassung im Kern die unter den Biologen auch heute noch vorherrschende.<br />
Die neuen Entdeckungen scheinen nicht nur Baustein auf Baustein an Erklärung alles<br />
Geschehens aus rein natürlichen Ursachen zu liefern, sie verankern auch jenen Entwicklungsgedanken<br />
endgültig im naturwissenschaftlichen Weltbild, den schon Herder, Goethe<br />
<strong>und</strong> andere vertreten hatten - freilich auf einer ganz anderen Basis. In der Geologie ist es<br />
Lyell, der, wie Engels sagt, in diese Wissenschaft „Verstand brachte, indem er die plötzlichen,<br />
durch die Launen des Schöpfers hervorgerufenen Revolutionen ersetzte durch die<br />
langsamen Wirkungen einer allmählichen Umgestaltung der Erde‘ 44 . Nach den F<strong>und</strong>materialien,<br />
die die Wissenschaft zutage fördert, hat die Erde eine nach Abermillionen Jahren<br />
zu bemessende Entwicklung vor dem Auftreten des Menschen durchgemacht.<br />
Julius Robert Mayer entdeckt das Gesetz der Energieerhaltung: Bei allen Umwandlungen<br />
einer Energieform in eine andere, z.B. von Reibung in Wärme, bleibt die Masse<br />
(in ihrer Summe) sowie Energie <strong>und</strong> Ladung erhalten. Der Nachweis wird geführt, daß die<br />
chemischen <strong>und</strong> physikalischen Gesetze, die im Anorganischen wirken, auch im Organismus<br />
gelten. So erscheint die Bewegung der Materie unzerstörbar, die Annahme einer<br />
besonderen Lebenskraft zur Erklärung der Lebenserscheinungen überflüssig. Schwanns<br />
<strong>und</strong> Schleydens Entdeckung der Zelle als materiellen Bausteins des Organismus, die<br />
Geltung der Gesetze der Energieerhaltung auch im Stoffwechsel <strong>und</strong> schließlich - in unserem<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert - die Entdeckung eines materiellen Substrats der Vererbung in Gestalt<br />
der DNS-Moleküle, die Träger des „genetischen Codes“ sind, all das wirkt mit geradezu<br />
suggestiver Macht darauf hin, daß das Leben immer mehr als rein materieller Prozeß<br />
gesehen wird.<br />
Heute stellt man sich die Entstehung des Lebens - nach der auch im Westen weithin<br />
anerkannten Hypothese des sowjetischen Biochemikers Oparin - vielfach so vor, daß sich<br />
in der „Ursuppe“ des ursprünglichen Erdenzustandes immer wieder Koerzervate bildeten,<br />
geleeartige Tröpfchen, von denen einige solche inneren Bedingungen aufwiesen, daß sie<br />
nicht durch äußere Einwirkung zerstört werden konnten. Und zwar deswegen, weil sie<br />
„anpassungsfähig“ waren, einen elementaren Stoffwechsel mit der Umwelt aufwiesen.<br />
Damit hatte die „natürliche Auslese“ begonnen <strong>und</strong> wurde zum Motor der weiteren Evolution,<br />
in deren Verlauf - natürlich in unerhört langen Zeiträumen - aus einfachen schließlich<br />
immer kompliziertere <strong>und</strong> vollkommenere Lebewesen entstehen. (Andere Theorien besagen,<br />
daß Leben durch Keime von anderen Planeten auf die Erde gelangt sei; dadurch ist<br />
aber natürlich das Gr<strong>und</strong>problem der Entstehung des Lebendigen aus unlebendiger Materie<br />
nur von einem Ort an einen anderen verschoben.)<br />
Die Entwicklung der Physiologie der höheren Nerventätigkeit, insbesondere die Reflexologie<br />
von Pawlow <strong>und</strong> seiner Schule, schien die Aussicht zu eröffnen, die Bewußtseinsvorgänge<br />
endlich materialistisch in den Griff zu bekommen. Zu simpel war die These<br />
der „physiologischen Materialisten“ des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, das Gehirn sondere Gedan-<br />
40<br />
nach Störig I (1979), S. 159.<br />
41<br />
Buhr/Klaus, S. 748.<br />
42<br />
Bloch, S. 163.<br />
43<br />
Buhr/Klaus, a.a.O.<br />
44<br />
MEW 20, S. 217. Zur Darstellung der naturwissenschaftlichen Entwicklung vgl. Konstantinow 1972, S.<br />
89ff., <strong>und</strong> Bernal 1970.<br />
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