Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen
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Engels schrieb - die Stelle wurde zitiert - daß die Materie als solche — abgesehen von<br />
den sinnlich konkreten Materien - reine Gedankenschöpfung <strong>und</strong> Abstraktion sei.<br />
Zugleich hält der dialektische Materialismus daran fest, daß die Materie die allgemeine<br />
substantielle Gr<strong>und</strong>lage der Erscheinungen ist, obwohl sie als ,allgemeine“ Gr<strong>und</strong>lage<br />
nach Engels doch auch wiederum nur Gedankenschöpfung sein darf; einzelne Materien<br />
können hinwiederum nicht allgemeine substantielle Gr<strong>und</strong>lage aller Erscheinungen sein.<br />
Der philosophische Substanzbegriff geht auf das Bleibende im Wechsel, was kraft innerer<br />
Notwendigkeit besteht, auf den Träger der Erscheinungen <strong>und</strong> Eigenschaften der Dinge.<br />
Der klassische Atomismus wollte dieses Bleibende als materielles Ding festmachen, - der<br />
dialektische Materialismus konstatiert das Scheitern dieser Bemühungen, will aber die<br />
Konsequenz, daß das Wesen, die Substanz ein unräumlich Inneres ist, nicht ziehen.<br />
Nach Lenins Definition der Materie soll sie das in den Sinnesempfindungen Gegebene<br />
sein, also der sinnlichen Beobachtung zugänglich; (wenn auch natürlich noch nicht alle<br />
Materie erforscht ist). Andererseits müssen aber auch die nur dem Denken zugänglichen<br />
Naturgesetze als objektiv-real, d.h. im Sinne der Definition als materiell gedacht werden,<br />
um nicht dem objektiven Idealismus Tür <strong>und</strong> Tor zu öffnen. Auch die Tatsache, daß die<br />
Naturwissenschaft immer mehr in unanschauliche Bereiche vorstößt, zwingt dazu, den<br />
Materiebegriff weiter zu fassen als den des Sinnlich-Gegebenen, damit aber den naiven<br />
Realismus, der kein Wirkliches annehmen darf, wo er nichts wahrnimmt, prinzipiell zu<br />
überschreiten. Man ist also genötigt, die Beziehungen <strong>und</strong> Verhältnisse, die gesetzmäßigen<br />
Zusammenhänge zwischen den wahrnehmbaren Dingen, die nicht sinnliche, sondern<br />
nur begrifflich faßbar sind, als objektiv-real zuzugeben, kann sich aber gleichzeitig nicht<br />
entschließen, neben der Gegenständlichkeit die „Form des Seins, die [...] das Denken<br />
vermittelt“ 34 -, das geistige Band der gegenständlichen Erscheinungen, als Wirklichkeitsfaktor<br />
anzuerkennen <strong>und</strong> muß deshalb - rein definitorisch - das Immaterielle materialisieren.<br />
Steiner sieht sich in seiner Auffassungsweise durch die ,Krise der Physik“ <strong>und</strong> die sich<br />
anbahnenden Wandlungen im naturwissenschaftlichen Weltbild bestätigt, er ist davon<br />
überzeugt, daß die Naturwissenschaft nach <strong>und</strong> nach seine, durch andere als die naturwissenschaftlichen<br />
Methoden gewonnenen, Erkenntnisse erhärten werde. 35<br />
Bereits im Anorganischen bekommt es die Naturwissenschaft immer mehr mit Entitäten<br />
zu tun, die wie die verschiedenen Kraftfelder nichtstofflich <strong>und</strong> zugleich realexistierend<br />
<strong>und</strong> wirkend erscheinen. Ernst Bloch nähert sich einer solchen Einsicht mit<br />
der Feststellung, daß zwischen „der Materie als Energie-Impuls-Tensor <strong>und</strong> der Materie<br />
des mechanischen Materialismus [...] keine diplomatische Beziehung“ bestehe, daß das<br />
„Elektron als ,Zuckung‘ eines Ätherfeldes“, als „unaufhörliche ,Systole <strong>und</strong> Diastole‘ eines<br />
Feldfluidums“ aufzufassen sei <strong>und</strong> daß die Physik vergeblich nach dem suche, was da<br />
schwingt, dem „Träger“ des ganzen Prozesses. 36 Steiner glaubt, daß die Auffassung von<br />
Materie als zeitweiligem „Verdichtungszustand“ eines Immateriellen durch die moderne<br />
Physik selber immer mehr in die Nähe des Begreifbaren rückt. 37<br />
So sehr Steiner in den neuen naturwissenschaftlichen Entdeckungen potentielle Bausteine<br />
zur Untermauerung einer geistigen Naturauffassung erblickt, so wenig imponiert<br />
ihm das modische Gerede vom Bankrott eines Materialismus, zu dem man keine wirkliche<br />
Alternative vorzuweisen hat: „Man hört jetzt oft, der Materialismus des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
sei wissenschaftlich abgetan. In Wahrheit ist er es aber durchaus nicht. Man<br />
bemerkt in der Gegenwart oft nur nicht, daß man keine anderen Ideen als solche hat, mit<br />
denen man nur an Materielles herankann. Dadurch verhüllt sich jetzt der Materialismus,<br />
während er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts sich offen zur Schau gestellt hat.“ 38<br />
34 GA 4, S. 123.<br />
35 So behauptete Steiner z. B. die Existenz von Cyan-Verhindungen in den Kometen, was erst später durch<br />
die Naturwissenschaft mit ihren Methoden nachgewiesen wurde. Vgl. GA 351, Vortr. 24. 10. 1923.<br />
36 Bloch 1978, S. 232, 224.<br />
47<br />
37<br />
Vgl. z.B. GA 93, S. 112f. GA 120, S. 90ff.<br />
38<br />
38 GA 4, S. 183.