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Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

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Die marxistische Politische Ökonomie<br />

Marx beginnt seine Analyse der kapitalistischen Produktionsweise mit der Untersuchung<br />

der Kategorien Ware <strong>und</strong> Geld. Warenproduktion ist bereits vor dem Kapitalismus<br />

entstanden, aber erst der Kapitalismus drückt nahezu allen wirtschaftlichen Gütern den<br />

Stempel der Ware auf. Waren sind Produkte, die ein Bedürfnis befriedigen <strong>und</strong> damit<br />

einen Gebrauchswert darstellen - <strong>und</strong> die zugleich <strong>für</strong> den Austausch hergestellt werden,<br />

also Tauschwert bilden. Geschichtliche Voraussetzung <strong>für</strong> den Tausch ist die Einschränkung<br />

<strong>und</strong> schließliche Beseitigung des Selbstversorgungsprinzips <strong>und</strong> die Entstehung der<br />

Arbeitsteilung bei gleichzeitiger Entwicklung des Privateigentums. Als Privateigentümer<br />

arbeiten die Produzenten <strong>für</strong> sich, als Glieder in der Arbeitsteilung hat ihre Arbeit - die<br />

objektiv den Bedarf anderer, statt den Eigenbedarf befriedigt - gesellschaftlichen Charakter.<br />

Hierin zeigt sich <strong>für</strong> Marx ein Widerspruch der Warenproduktion, der zu Problemen<br />

führt: welche gesellschaftliche Bedeutung die private Arbeit hat, zeigt sich erst nach vollbrachter<br />

Produktion, wenn die Ware auf dem Markt angeboten ihren Preis erzielt oder<br />

nicht erzielt. 1<br />

Der Tauschvorgang setzt Waren einander gleich: ein bestimmtes Quantum einer Ware<br />

gilt gleich einem bestimmten Quantum einer anderen Ware. Diese Gleichung erscheint<br />

als ein rein quantitatives Verhältnis, in dem von der konkreten Qualität der Güter abstrahiert<br />

wird. Als qualitativ bestimmte Gebrauchswerte betrachtet, sind die Waren - immer<br />

Marx zufolge - dagegen unvergleichlich <strong>und</strong> schlechthin verschieden. Es muß offenbar<br />

ein gemeinsames Drittes geben, irgendeine Eigenschaft, in bezug auf die zwei qualitativ<br />

ganz ungleichartige Dinge einander gleichgesetzt können. Wenn man aber von allen<br />

qualitativen Unterschieden abstrahiert, verbleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft: diejenige,<br />

Produkt menschlicher Arbeit zu sein. An der Arbeit zeigen sich aber ebenfalls zwei<br />

polarisch einander gegenüberstehende Momente: Arbeit ist zum einen konkrete Geschicklichkeit,<br />

die Stoffe der Natur zu Gebrauchswerten umformt: Weberei, Schusterei<br />

usw. Die Geschicklichkeiten sind schlechterdings verschieden <strong>und</strong> inkommensurabel,<br />

können das gemeinsame Dritte, das gesucht wird, nicht darstellen. Es zeigt sich jedoch,<br />

daß mit dem Abstrahieren von der Qualität der Güter auch von der Qualität der sie hervorbringenden<br />

Arbeit abstrahiert werden muß <strong>und</strong> daß sodann auch an der Arbeit nur<br />

noch die eine, allen Arbeiten gemeinsame Eigenschaft verbleibt, in Zeit zu messende<br />

Verausgabung physischer Kräfte (Muskel- <strong>und</strong> Nervenkraft) zu sein. Nur diese „abstrakte<br />

Arbeit“ ist Tauschwert- bzw. Wert-bildend. Allerdings ist sie dies nicht schlechthin, sondern<br />

nur sofern sie gesellschaftlich-notwendigen Charakter trägt. Das bedeutet zweierlei:<br />

Arbeit, die auf Dinge verwandt wird, die <strong>für</strong> andere Menschen nutzlos sind, ist nicht wertbildend,<br />

zweitens kommt nicht der tatsächliche Arbeitsaufwand in Betracht, sondern der<br />

„gesellschaftlich-durchschnittlich notwendige“, d.h. die Zeit, die <strong>für</strong> die Herstellung eines<br />

reproduzierbaren Gutes bei Einsatz durchschnittlicher Produktionsmittel <strong>und</strong> bei einem<br />

Durchschnittsgrad an Arbeitsintensität <strong>und</strong> Geschicklichkeit notwendig ist. Mit der Senkung<br />

des gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeitsaufwandes <strong>für</strong> eine bestimmte<br />

Warenart sinkt der Wert der einzelnen Ware dieser Kategorie, d.h. steigende<br />

Arbeitsproduktivität wirkt tendenziell verbilligend.<br />

Gegenüber der Theorie, daß die Knappheit der Güter den Warenwert bestimmt, verweist<br />

Marx darauf, daß diese Seltenheit sich in hohem Arbeitsaufwand bei der Gewinnung<br />

der Rohstoffe etc. niederschlägt. Daß qualifizierte Arbeit gewöhnlich höher bewertet<br />

wird als einfache, versucht er durch die Formel, komplizierte Arbeit werde als multiplizierte<br />

einfache Arbeit gewertet, mit der Arbeitswerttheorie in Einklang zu bringen. Der<br />

Tauschwert ist die Widerspiegelung des Werts einer Ware im Gebrauchswert einer anderen:<br />

direkt <strong>und</strong> unmittelbar kann sich der Anteil einer einzelnen Ware an der gesellschaftlichen<br />

Gesamtarbeit unter tauschwirtschaftlichen Bedingungen nicht manifestieren. Den<br />

Tauschpartnern gilt ihre eigene Ware jeweils als Tauschwert bzw. -mittel, die des Partners<br />

interessiert sie in ihrer Eigenschaft als Gebrauchswert. Marx verteidigt sich gegen<br />

Mißverständnisse seines Wertbegriffs, indem er schreibt, „daß die den verschiednen<br />

Bedürfnismassen entsprechenden Massen von Produkten verschiedene <strong>und</strong> quantitativ<br />

bestimmte Massen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erheischen [...]. Und die Form,<br />

worin sich diese proportionelle Verteilung der Arbeit durchsetzt in einem Gesellschaftszu-<br />

1 Vgl. auch im folgenden die Marxsche Darstellung in MEW 23 <strong>und</strong> die Titel zur Marxistischen Politischen<br />

Ökonomie im Lit.verz. Zur Kontroverse über die Werttheorie s. Böhm-Bawerk 1973.

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