06.01.2013 Aufrufe

Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

stehen die anti<strong>soziale</strong>n Triebe gleichberechtigt neben den <strong>soziale</strong>n, denn sie sind das<br />

Produkt einer historischen Entwicklung, die dazu geführt hat, daß der Mensch immer<br />

mehr auf sich gestellte Persönlichkeit geworden ist. Wer sie daher einfach eliminieren<br />

will, muß zugleich das Rad der Weltentwicklung zurückdrehen wollen. Vernünftigerweise<br />

muß dagegen darauf abgezielt werden, die <strong>soziale</strong>n Strukturen <strong>und</strong> Einrichtungen so zu<br />

gestalten, daß in ihnen ein „Gegengewicht da ist <strong>für</strong> dasjenige, was im Inneren des Menschen<br />

als anti<strong>soziale</strong>r Trieb wirkt“. 37<br />

Für Steiner ist der Krieg nicht die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Den<br />

Clausewitzschen Satz hat er verspottet mit der Bemerkung, er habe „ebensoviel Sinn, als<br />

wenn man sagt: Die Scheidung ist die Fortsetzung der Ehe mit anderen Mitteln.“ 38 Über<br />

seine Auffassung von der mitteleuropäischen Friedens- <strong>und</strong> Entspannungsaufgabe wurde<br />

schon gesprochen. Zwar hat er gerechten <strong>und</strong> ungerechten Krieg unterschieden, aber<br />

er hat auch gewußt, wie jeder Aggressor seinen Krieg als gerechten zu tarnen versucht<br />

<strong>und</strong> wie unerträglich auch der gerechte Krieg bei wachsender Vernichtungstechnik ist.<br />

Kriegsverherrlichung wird man bei ihm nicht finden - in einer Zeit, in der mancher „idealistisch“<br />

Denkende den Krieg noch als Bewährungssituation pries. Zwar hat er die innerseelischen<br />

Dispositionen der Kriegsbegeisterung <strong>und</strong> Kriegslust höher bewertet als der <strong>Marxismus</strong>,<br />

ohne jedoch in eine Psychologisierung des Kriegsgeschehens zu verfallen <strong>und</strong><br />

seine allgemeinen gesellschaftlichen <strong>und</strong> geschichtlichen Ursachen zu übersehen. Zum<br />

ersten Aspekt führt Wolfgang Schad, sich zugleich gegen die biologistische Kriegsrechtfertigung<br />

durch Konrad Lorenz wendend, aus: „Die Kriege sind nach innen zu führen. Wo<br />

sie nicht im Innern der eigenen Brust geführt werden, entstehen äußere Kriege daraus.<br />

Der existentielle Streit zwischen Kommunismus <strong>und</strong> Kapitalismus, zwischen verschiedenen<br />

Konfessionen (Nordirland), Religionen (Israel, Islam) <strong>und</strong> Rassen (die neuerliche<br />

Ausrottung der Indios) hat Platz gegriffen, weil man die Fremdheit des anderen [...] nicht<br />

in sich durchgekämpft hat. Äußere Kriege sind seit Beginn der Neuzeit die konsequente<br />

Folge fehlender innerer Kriege.“ 39 Schief würde diese These dann, wenn vergessen würde,<br />

daß solche Friedensfähigkeit bei den Mächtigen dieser Erde folgenreicher wäre, als<br />

bei den Massen, <strong>und</strong> auch das Gegenteil dieser Friedensfähigkeit. Aber ganz zweifellos<br />

richtig ist das Postulat der Notwendigkeit des Abbaus der irrationalen Feindbilder. In diesem<br />

Sinne, weil sie am besten das wirkliche Verständnis zwischen den verschiedenen<br />

Religionen, Kulturen, Rassen <strong>und</strong> Nationen fördern könne, hat Steiner die geisteswissenschaftliche<br />

Bewegung einmal als die wahre Friedensbewegung bezeichnet. 40<br />

37<br />

GA 186, Vortr. 12.12.1918. Dort auch die Bemerkung über das Interesse von Mensch zu Mensch als<br />

Gr<strong>und</strong>nerv des Sozialen (S. 167 f.).<br />

38<br />

GA 328, S. 98.<br />

39<br />

Schad, Aggression <strong>und</strong> Frieden, 1982, S. 37.<br />

40<br />

GA 54, Vortr. 12.10.05.<br />

176

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!