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Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

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ten mit relativer Armut bei Randschichten paart, die sich unter den Bedingungen der<br />

Wachstumskrise tendenziell verbreitern, ohne daß diese Polarisierung längs der traditionellen<br />

„Klassenfront“ verliefe. Man denke an Teile der Arbeitslosen, der Rentner usw.<br />

Das Faktum der Arbeitslosigkeit als solcher auf der anderen Seite ist ein deutlicher Hinweis<br />

auf die keineswegs überholten Aspekte der Marxschen Analyse.<br />

Auch von den Marxisten-Leninisten wird zugegeben <strong>und</strong> berücksichtigt, daß die <strong>soziale</strong><br />

Binnenstruktur der „Arbeiterklasse“ sich wesentlich gewandelt hat: zugunsten der „Angestelltenschichten<br />

der Arbeiterklasse“ <strong>und</strong> zuungunsten des Industriearbeiteranteils,<br />

zugunsten des Dienstleistungssektors usw. Daß die Mittelstände nicht in dem Maße zerstört<br />

worden sind, wie Marx prognostiziert hat, hat man zur Kenntnis genommen: Immerhin<br />

hatte bereits Lenin über die Bildung neuer Zwischenschichten im „imperialistischen<br />

Kapitalismus“ reflektiert. Mit der Konzentration <strong>und</strong> Zentralisation des Kapitals sind auch<br />

neue Zuliefererindustrien entstanden, die Produktivkraftentwicklung hat Handwerk nicht<br />

nur -durch die Dampfkraft - vernichtet, sondern auch - z.B. durch den Elektromotor - konkurrenzfähig<br />

gemacht. Es ist nicht einfach bürgerliche Ideologie <strong>und</strong> Propaganda, die<br />

auch die Kernschichten der Arbeiterklasse auch andere Möglichkeiten zur Geltendmachung<br />

ihrer Interessen sehen läßt als den Klassenkampf, sondern es sind vor allem die<br />

Verhältnisse selbst, in denen die Arbeiter eben durchaus mehr zu verlieren haben als ihre<br />

Ketten.<br />

Das marxistische Geschichtsschema gewinnt seine Strahlkraft durch die Idee, daß<br />

letztendlich die Ausgebeuteten <strong>und</strong> Entrechteten zu obsiegen <strong>und</strong> eine menschenwürdige<br />

Ordnung zu schaffen vermögen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, daß dies in<br />

dieser Form auch bei Marx nur <strong>für</strong> die letzte „Ausbeuterordnung“, den Kapitalismus, gilt.<br />

Die Sklavenhaltergesellschaft wurde nicht durch die Herrschaft der Sklaven abgelöst, <strong>und</strong><br />

den Feudalherren folgte nicht die Hauptklasse der Leibeigenen in der Herrschaft, sondern<br />

die „Nebenklasse“ des städtischen Bürgertums. Der <strong>Marxismus</strong> hat zwar auch da<strong>für</strong> wieder<br />

eine Erklärung, aber ist es nicht doch wahrscheinlich, so fragten manche, daß Marx<br />

sich auch in bezug auf den Kapitalismus geirrt hat <strong>und</strong> auch dort alles auf die Herrschaft<br />

einer neuen Nebenklasse hinausläuft, die man dann auch in den Managern entdeckt<br />

haben wollte. 23 Das Anstößige an dieser Theorie, die hier nicht näher beleuchtet werden<br />

kann, scheint weniger darin zu liegen, daß dergleichen soziologisch nicht vorstellbar wäre,<br />

sondern eher darin, daß sie unserem Gerechtigkeitsgefühl <strong>und</strong> Sinnverlangen weniger<br />

entgegenkommt.<br />

164<br />

23 Vgl. Burnham 1949.

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