06.01.2013 Aufrufe

Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

Marxismus und Anthroposophie - Institut für soziale Gegenwartsfragen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

der Mehrwertrate, d.h. des Ausbeutungsgrades der Arbeitskraft, seinen Profit zu erhöhen;<br />

der Arbeiter muß danach trachten, seine Haut so teuer wie möglich zu Markte zu tragen.<br />

Ohne die Gewerkschaften als „Sammelpunkte des Widerstandes gegen die Gewalttaten<br />

des Kapitals“ 7 erhielte er „nicht einmal das, was ihm nach den Regeln des Lohnsystems<br />

zusteht. Nur die Furcht vor den Trade-Unions kann den Kapitalisten zwingen, dem Arbeiter<br />

den vollen Marktwert seiner Arbeitskraft zu bezahlen.“ 8<br />

Zwei Methoden zur Steigerung der Ausbeutung setzt der Kapitalist ein:<br />

1. die Produktion des absoluten Mehrwerts, d.h. Verlängerung des Arbeitstages <strong>und</strong><br />

dadurch der Mehrarbeitszeit gegenüber der notwendigen Arbeitszeit; wo etwa der Kampf<br />

der Arbeiterklasse um Arbeitszeitverkürzung dieser Methode Grenzen setzt, tritt 2. die<br />

Produktion des relativen Mehrwerts in den Vordergr<strong>und</strong>: steigende Arbeitsproduktivität<br />

durch Einsatz von Technik <strong>und</strong> systematischer Arbeitsorganisation verbilligt die Subsistenzmittel<br />

des Arbeiters. Das ökonomische Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Bewegungsgesetz des Kapitalismus,<br />

das „in der Jagd nach Mehrwert oder Plusmacherei“ besteht, ordnet bedarfsgerechte<br />

Produktion als bloßes Mittel dem eigentlichen Zweck, der Profitmaximierung, unter;<br />

eine Zweck-Mittel-Verkehrung, die <strong>für</strong> Marx das Charakteristikon der kapitalistischen<br />

Produktionsweise bildet. Marx würde sich jedoch gegen eine „Psychologisierung“ dieser<br />

Kapitalismus-Kritik wehren: die Triebfeder der Gewinnsucht ist <strong>für</strong> ihn nur ein Reflex des<br />

zugr<strong>und</strong>eliegenden ökonomischen Verhältnisses, als dessen Charaktermaske der individuelle<br />

Kapitalist auftritt.<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage dieser Analyse der ,kapitalistischen Ausbeutung‘ bildet die eingangs<br />

referierte Arbeitswerttheorie: nur wenn ausschließlich die Arbeit der volkswirtschaftlich<br />

wertbildende Faktor ist, kann Marx so argumentieren, wie er es tut. Wertmäßig setzt sich<br />

ein Kapital aus dem konstanten Kapital c (= Wert der Maschinen, Anlagen, Rohstoffe<br />

usw.), dem variablen Kapital v (Lohnkosten) <strong>und</strong> dem Mehrwert m zusammen. Einen<br />

wichtigen Argumentationsschritt <strong>für</strong> den „Alleinvertretungsanspruch“ der Arbeit bildet die<br />

Frage der Übertragung des dem Verschleiß der Maschinen entsprechenden Teils des<br />

Altwerts c auf das neue Produkt, dessen Neuwert sich aus v + m zusammensetzt. Hierbei<br />

greift Marx erneut auf die „konkrete Arbeit“ zuruck: die Geschicklichkeit des Arbeiters<br />

überträgt nach <strong>und</strong> nach den Wert der Anlagen <strong>und</strong> erhält ihn damit. Dieser Wert selbst<br />

ist das Resultat der <strong>für</strong> die Produktion der Maschinen <strong>und</strong> Halbfabrikate aufgewendeten<br />

Arbeitszeit - die Maschine als totes Ding ist nicht wertbildend, nur die lebendige Arbeit ist<br />

es.<br />

Der erste Band des „Kapital“ von Marx gipfelt in der Akkumulationstheorie: Wird nach<br />

vollendetem Produktionsprozeß die Produktion nicht auf gleicher, sondern auf höherer<br />

Stufe wiederholt, spricht man von erweiterter Reproduktion. Diese entspricht dem Mehrwertgesetz:<br />

In der Jagd nach Surplus, erzwungen durch den Konkurrenzmechanismus,<br />

wird die Produktion <strong>und</strong> damit die Masse des Mehrwerts ausgeweitet. Dies muß dazu<br />

führen, daß jedwedes Kapital, mag es auch ursprünglich, der bürgerlichen ökonomischen<br />

Theorie entsprechend, kraft persönlicher Tüchtigkeit angehäuft (akkumuliert) worden<br />

sein, schließlich nur noch aus unentgeltlich angeeignetem Mehrwert besteht. Die Konkurrenz<br />

führt zur Konzentration des Kapitals in immer größeren Betrieben <strong>und</strong> zur Zentralisation,<br />

d.h. Zusammenfassung schon bestehender Kapitale: „Je ein Kapitalist schlägt viele<br />

tot.“ 9 Das hat auf der anderen Seite Wachstum des Proletariats <strong>und</strong> wachsende Polarisierung<br />

der Gesellschaft zur Folge. Der Einsatz von immer mehr Maschinen zum Zwecke<br />

der Profitproduktion hat den Effekt einer relativen Übervölkerung durch „Wegrationalisierung“<br />

von Arbeitsplätzen; Existenzunsicherheit ist die Folge. Marx ist der Auffassung, daß<br />

die Bildung einer immer größeren „industriellen Reservearmee“ mit ihrem Druck auf die<br />

Löhne eine Verelendung des Proletariats zur Folge haben muß <strong>und</strong> daß diese den Arbeitern<br />

schließlich keine andere Wahl als die revolutionäre Aktion lassen wird: Sie wird erfolgreich<br />

sein, weil die Arbeiter durch das Industriesystem selbst geschult, vereinigt <strong>und</strong><br />

organisiert sind. Dann schlägt die St<strong>und</strong>e des kapitalistischen Privateigentums, die Expropriateurs<br />

werden expropriiert. 10 Es ist die Geburtsst<strong>und</strong>e einer neuen sozialistischen<br />

Gesellschaft.<br />

Die „Verelendungstheorie“ ist einer der meistumstrittenen Punkte im Marxschen Werk:<br />

Immer wieder hat sich hier die Kritik festgemacht, die marxistische Prognose sei durch<br />

den Lauf der Geschichte falsifiziert worden. Doch muß man immerhin bedenken, daß<br />

7<br />

Marx, MEW 16, S. 1S2; Engels, MEW 19, S. 253.<br />

8<br />

MEW 23, S. 647.<br />

9<br />

ibd. 790.<br />

10<br />

Vgl. ibd. 790f.<br />

137

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!