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Neunstündiger Berufsschultag - Institut Arbeit und Qualifikation

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Abschlussbericht<br />

Modellversuch „<strong>Neunstündiger</strong> <strong>Berufsschultag</strong>“<br />

• Der neunstündige <strong>Berufsschultag</strong> hat negative Rückwirkungen auf die Akzeptanz der<br />

betrieblichen Ausbildung während des dreijährigen Ausbildungsverlaufs. Hierin kommt<br />

sicherlich zum einen eine generelle Enttäuschung über Berufsarbeit <strong>und</strong> Berufsperspektiven<br />

zum Ausdruck. Bemerkenswert ist aber auch, dass die Akzeptanz der Ausbildungsbetriebe<br />

in den Vergleichsgruppen höher liegt als in den Modellversuchsklassen. Offensichtlich<br />

schlagen sich die Lern- <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>sbedingungen des Neunst<strong>und</strong>entages auch negativ<br />

auf die betriebliche Ausbildung nieder. Eine der wesentlichsten Ursachen für die Reserviertheit<br />

gegenüber den Betrieben sind die Ängste <strong>und</strong> Befürchtungen der Auszubildenden,<br />

dass in der Oberstufe nicht ausreichend Zeit für die Prüfungsvorbereitungen bleibt.<br />

• In den Unterrichtsbeobachtungen haben sich vor allem in der neunten St<strong>und</strong>e eindeutige<br />

Müdigkeitserscheinungen <strong>und</strong> Konzentrationsmängel bemerkbar gemacht <strong>und</strong> zwar völlig<br />

unabhängig von der Art <strong>und</strong> den Inhalten des Unterrichts. Lernfortschritte waren in der<br />

neunten Unterrichtsst<strong>und</strong>e praktisch nicht mehr erkennbar.<br />

• Die arbeitsmedizinische Stressuntersuchung hat für die Modellversuchsgruppe ein deutlich<br />

höheres Stressniveau während des gesamten Unterrichtstages ergeben. Ein derart<br />

erhöhter Stresspegel – auch wenn er noch nicht in einem für die Ges<strong>und</strong>heit kritischen<br />

Bereich liegt – führt nach wissenschaftlichern Erkenntnissen zu einer Reduzierung der<br />

Lernfähigkeit.<br />

• Vor allem in den Gruppendiskussionen zeigten sich im Modellversuch erhöhte Prüfungsbzw.<br />

Zukunftsängste. Als „Schuldige“ für die aus der Sicht der Betroffenen ungerechtfertigte<br />

Mehrbelastung wurden die Wirtschaftsverbände <strong>und</strong> in erster Linie die Politik angesehen,<br />

was sich in einer allgemeinen Politikverdrossenheit niederschlug.<br />

Die Tatsache, dass alle erzielten Ergebnisse ausnahmslos in die gleiche Richtung weisen<br />

<strong>und</strong> die Messungen – egal ob sozialwissenschaftlicher Art (Fragebögen) oder arbeitsmedizinischer<br />

Natur (Blutuntersuchung) – statistisch signifikante Unterschiede zwischen Modellversuchgruppe<br />

<strong>und</strong> „Normalgruppe“ zeigen, erlaubt es, eine so eindeutige Ablehnung des<br />

neunstündigen <strong>Berufsschultag</strong>es vorzunehmen.<br />

Insgesamt weisen die Untersuchungsergebnisse weit über den konkreten Einzelfall <strong>und</strong> den<br />

neunstündigen <strong>Berufsschultag</strong> hinaus. Dass es so etwas wie „natürliche“ Grenzen beim<br />

Menschen für seine Aufnahmefähigkeit <strong>und</strong> effektives Lernen gibt, ist sicherlich keine neue<br />

Erkenntnis. In der Regel wird davon ausgegangen, dass diese Grenzen individuell sehr<br />

verschieden sind, was generelle Ableitungen weitgehend unmöglich macht. Die vorliegende<br />

Evaluation zeigt jedoch, dass es offenbar Zeitpunkte gibt, bei denen die Effektivitätsgrenze<br />

bei mehreren Menschen gleichzeitig überschritten wird, dass weiterer Unterricht nicht mehr<br />

sinnvoll ist. Es wäre sicherlich wichtig diesen kritischen Wert auch für andere Bildungsbereiche<br />

– etwa die berufliche Weiterbildung – zu kennen, um Bildung insgesamt effizienter<br />

gestalten zu können.<br />

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