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Organikum Organisch-chemisches Grundpraktikum

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194 Dl. Radikalische Substitution<br />

Das lodatom ist dagegen nicht in der Lage, mit Ethan zu reagieren, und die direkte lodierung<br />

von Kohlenwasserstoffen gelingt daher normalerweise nicht. Zwar ist für die Spaltung des<br />

lodmoleküls eine geringere Energie notwendig als für die Spaltung des Chlormoleküls, aber<br />

der Energiegewinn bei der Bildung der H-I-Bindung beträgt nur 295 kJ • moH i), die Reaktion<br />

des lodatoms mit Ethan wäre endotherm:<br />

I- + H-CH2CH3 I-H + -CH2CH3 [1.18]<br />

AnH^8 = A0AYfH3CH2-H -ADH^H = (411-295) kJ - mol' 1 = 116 kJ - moT 1<br />

lod wirkt deshalb umgekehrt als Inhibitor von Radikalreaktionen, indem es die Radikaleigenschaften<br />

übernimmt, aber nicht erneut auf das Substrat zu übertragen imstande ist:<br />

R- + I-1 - R-I + I-<br />

I- + R-H —#-~ H-I + R-<br />

[1.19]<br />

Obwohl sich mit Hilfe der Thermodynamik zunächst nur feststellen läßt, ob eine radikalische<br />

Substitutionsreaktion möglich ist oder nicht und nichts über ihre Geschwindigkeit ausgesagt wird<br />

(vgl. C.2.), findet man jedoch, daß stark exotherme Radikalreaktionen schneller ablaufen als weniger<br />

exotherme (vgl. Abb. C.28). Man kann daher mit Hilfe der angestellten thermodynamischen<br />

Betrachtungen auch die Reaktivitäten von Radikalen und Bindungen abschätzen.<br />

Die Reaktionsfähigkeit eines Radikals gegenüber einem gegebenen Substrat ist danach um<br />

so größer, je höher der Energiegewinn bei der Bildung der neu zu knüpfenden Bindung, d. h.<br />

je größer die Dissoziationsenergie dieser Bindung ist.<br />

Bei Reaktionen eines gegebenen Radikals mit verschiedenen C-H-Bindungen ist die<br />

Umsetzung um so stärker exotherm, je niedriger die Dissoziationsenergien dieser Bindungen<br />

sind. Aus diesem Grunde ist die Reaktionsfähigkeit der tertiären (3°)-C-H-Bindungen größer<br />

als die der secundären (2°) und primären (I 0 ). 2 ) Besonders leicht angegriffen werden C-H-Bindungen<br />

in Benzyl- und Allylstellung (z.B. im Propen und Toluen). Man mache sich das an<br />

Hand der Tabelle 1.4 verständlich!<br />

Ein Maß für die Reaktivität eines Radikals ist die Geschwindigkeitskonstante seiner Reaktion<br />

mit einem gegebenen Partner. Zur Bestimmung relativer Reaktivitäten (vgl. C.3.2.) verschiedener<br />

Radikale setzt man diese mit dem gleichen Substrat (z. B. Toluen) um und bezieht<br />

die gefundenen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten auf die eines der Radikale. Aus solchen<br />

Untersuchungen ist die folgende Reaktivitätsreihe gefunden worden:<br />

F- > HO- > Cl- > -CH3 > Br- > ROO- [1.20]<br />

Zur Bestimmung der relativen Reaktivitäten etwa der (1°)-, (2°)- und (3°)-C-H-Bindung<br />

hält man andererseits das Reagens konstant, setzt also mit dem gleichen Radikal um und<br />

bezieht z. B. auf die primäre C-H-Bindung, die in diesem Fall sogar im gleichen Molekül vorhanden<br />

sein kann. Ein Ergebnis derartiger Bestimmungen zeigt Tabelle 1.21. In dieser Tabelle<br />

sind jeweils nur die in einer Waagerechten stehenden Werte miteinander vergleichbar. Man<br />

erkennt, daß gegenüber allen drei tabellierten Halogenradikalen jeweils die tertiäre C-H-Bindung<br />

am reaktionsfähigsten ist, weniger leicht wird die secundäre C-H-Bindung angegriffen<br />

und am schwersten die primäre C-H-Bindung.<br />

1 ) Man erkennt daran deutlich, daß das Vermögen, eine Bindung anzugreifen, nicht ohne weiteres mit der<br />

Stabilität (der Leichtigkeit der Bildung) eines Radikals gleichgesetzt werden darf. Man vergleiche auch<br />

die niedrige Dissoziationsenergie des Fluormoleküls mit der außerordentlich hohen Reaktivität des<br />

Fluorradikals.<br />

2 ) Häufig wird die Kurzbezeichnung (1°)-, (2°)-, (3°)-C-H-Bindung für die primäre, secundäre und tertiäre<br />

C-H-Bindung benutzt.

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