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Organikum Organisch-chemisches Grundpraktikum

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218 D. 2. Nucleophile Substitution am gesättigten Kohlenstoffatom<br />

Entsprechend ihrer Basizität sollte die p-Toluensulfonatgruppe eine Abspaltungstendenz<br />

haben, die zwischen der von Chlorid und Bromid liegt. Tatsächlich jedoch können Alkyltosylate<br />

auch sehr viel reaktiver als Alkylbromide und -iodide sein, was zeigt, daß die Basizität<br />

nicht das einzige Kriterium für die Abspaltungstendenz einer Gruppe ist. Sie hängt darüber<br />

hinaus noch von der Natur des Restes R und des Reagens Nu sowie vom Lösungsmittel ab, so<br />

daß es keine allgemein gültige Reihenfolge der Abspaltungstendenz gibt.<br />

So beobachtet man bei S^-Reaktionen, daß sich Substrate, in denen die austretende<br />

Gruppe X leicht polarisierbar („weich") ist (z. B. I - ), schneller mit weichen Reagenzien umsetzen,<br />

während Abgangsgruppen mit schwach polarisierbarem („hartem") Heteroatom (z.B.<br />

TsO - ) schneller durch harte Nucleophile verdrängt werden. Die relative Reaktivität von<br />

Methyltosylat und Methyliodid gegenüber verschiedenen nucleophilen Reagenzien Nu - in<br />

Methanol bei 25 0 C beträgt z. B.:<br />

Nu -<br />

kMeOTs /kMel<br />

N?<br />

6,6<br />

CH3O^^<br />

Cl -<br />

4,6<br />

2,8<br />

Br -<br />

SCN -<br />

I -<br />

O^ft Cn+JG Tfi<br />

0,72<br />

0,28<br />

0,13<br />

[2.18]<br />

In SNl-Reaktionen in protonischen Lösungsmitteln sind gewöhnlich Alkylsulfonate ebenfalls<br />

reaktiver als Alkyliodide.<br />

Die Abspaltungstendenz der HO- bzw. RO-Gruppe läßt sich auch durch Protonierung so<br />

stark erhöhen, daß nucleophile Substitutionen möglich werden, z.B. bei der Bildung von<br />

Estern anorganischer Säuren oder der Spaltung von Ethern, vgl. D.2.5.1. und D.2.5.2. Aminogruppen<br />

sind in ähnlicher Weise nach Quaternisierung abspaltbar, was bei der analogen E2-<br />

Reaktion (Hofmann-Eliminierung, vgl. D.3.) präparativ genutzt wird.<br />

Primäre Aminogruppen können außerdem durch Diazotierung in Diazoniumgruppen umgewandelt<br />

werden (vgl. D.8.). Alkyldiazoniumkationen sind nicht stabil und zerfallen spontan in<br />

Carbeniumionen und elementaren Stickstoff. Die Diazoniumgruppe ist daher der am leichtesten<br />

abspaltbare Substituent und wird stets nach einem SN1-Mechanismus substituiert.<br />

Die nucleofuge Abspaltung des Substituenten X aus RX läßt sich schließlich durch protonische<br />

Lösungsmittel beschleunigen. Protonische Lösungsmittel sind besonders zur Solvatation<br />

von Anionen über Wasserstoffbrücken befähigt (vgl. C.3.3.), wodurch die Stabilität der entstehenden<br />

Anionen X - erhöht und ihre Abspaltung erleichtert wird. Dieser Lösungsmitteleffekt<br />

ist um so stärker ausgeprägt, je H-acider das Lösungsmittel und je härter die Abgangsgruppe X<br />

ist. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Abgangsgruppen sind außerdem erheblich kleiner<br />

als in polaren aprotonischen Lösungsmitteln; d. h., protonische Lösungsmittel nivellieren<br />

die Abspaltungstendenzen in einem gewissen Umfang.<br />

Da die H-Brückenbindung in protonischen Lösungsmitteln andererseits die Nucleophilie<br />

des Reagens senkt (vgl. D.2.2.2.), verschiebt sich der Übergangszustand der Reaktion um so<br />

weiter in Richtung zum SNl-Gebiet, je stärker sauer das Lösungsmittel ist. Wie groß der<br />

Lösungsmitteleinfluß auf SN l -Reaktionen ist, zeigen die Relativgeschwindigkeiten für die SoIvolyse<br />

von tert-Butylchlorid (Bildung des tert-Butylkations):<br />

Lösungsmittel<br />

kre.(25°C)<br />

EtOH<br />

1<br />

MeOH<br />

9<br />

HCOOH<br />

12200<br />

Wasser<br />

335000<br />

[2.19]<br />

Eine ähnliche Wirkung wie durch protonische Lösungsmittel ist auch durch Lewis-Säuren<br />

erzielbar, die als elektrophile Katalysatoren mit freien Elektronenpaaren von Substituenten X<br />

in Wechselwirkung treten. Hier sind vor allem zu nennen: Ag - , SnCl4, BF3, AlCl3, FeQ3,<br />

ZnCl2, SbCl5, die besonders starke Wechselwirkungen mit Halogenverbindungen eingehen.<br />

Davon wird bei der Friedel-Crafts-Alkylierung Gebrauch gemacht, vgl. D.5.1.7.

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