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Organikum Organisch-chemisches Grundpraktikum

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D. 2.2. Faktoren, die den Verlauf nucleophiler Substitutionen beeinflussen 219<br />

2.2.2. Nucleophilie von Reagenzien<br />

Im Verlauf einer nucleophilen Substitution entsteht zwischen dem nucleophilen Reagens Nu<br />

und dem elektrophilen Substrat RX (bzw. dem Carbeniumion R® bei der SN1 -Reaktion) eine<br />

neue C-Nu-Bindung, deren heterolytische Bindungsenergie dabei freigesetzt wird. Da beide<br />

Bindungselektronen vom Reagens geliefert werden, nimmt die Elektronendichte am Reagens<br />

ab; anionische Nucleophile Nu - gehen in neutrale Produkte RNu, neutrale Nucleophile, wie<br />

Alkohole oder Amine, in Kationen RNu - über:<br />

Nu 0 + R-X [Nu--R—-X]* Nu-R + X 0 [2.20]<br />

Nu + R-X [Nu R X]* N + U-R + X 0 [2.21]<br />

Mit diesen Ladungsänderungen sind bei Reaktionen in polaren Lösungsmitteln Solvationsänderungen<br />

und damit Energieänderungen verbunden. Im Falle [2.20] wird das Nucleophil<br />

Nu - beim Übergang in den aktivierten Komplex partiell desolvatisiert, wozu Energie aufgebracht<br />

werden muß, im Falle [2.21] sind Übergangszustand und Reaktionsprodukte stärker solvatisiert<br />

als die Reaktanden, was mit einer Energieabnahme verbunden ist.<br />

Diese beiden Faktoren, Energiefreisetzung infolge R-Nu-Bindungsbildung und die Energieänderungen<br />

infolge Solvatationsänderungen, bestimmen die Reaktivität eines nucleophilen<br />

Reagens, seine Nucleophilie.<br />

Wegen der unterschiedlichen Beeinflussung dieser Faktoren durch unterschiedliche<br />

Lösungsmittel und unterschiedliche Reaktionspartner ist die Reihenfolge der Nucleophilie verschiedener<br />

Reagenzien nicht in allen Reaktionen die gleiche, sondern hängt von der Natur des<br />

elektrophilen Partners und des Lösungsmittels ab. Als Maß für die Nucleophilie benutzt man<br />

die Relativgeschwindigkeiten gegenüber einem bestimmten elektrophilen Substrat.<br />

Am einfachsten liegen die Verhältnisse in polaren aprotonischen Lösungsmitteln wie Dimethylformamid<br />

(DMF), Dimethylsulfoxid (DMSO) oder Hexamethylphosphorsäuretriamid<br />

(HMPT). In ihnen sind Nucleophile nicht so stark solvatisiert wie in protonischen Lösungsmitteln<br />

(s. C.3.3.), und der Energiewinn bei der Bildung der Nu-R-Bindung, d. h. die Affinität des<br />

nucleophilen Reagens zum elektrophilen Partner R, wird ausschlaggebend für seine Reaktivität.<br />

Es zeigt sich, daß in erster Näherung die Nucleophilie eines Reagens um so größer ist, je<br />

höher seine (Brönsted-)Basizität ist. Das gilt besonders gut in einer Reihe ähnlicher Nucleophile,<br />

z. B. solcher mit gleichem nucleophilen Atom:<br />

RO - > PhO - > RCOO - > ROH > PhOH > RCOOH [2.22]<br />

Auch die Nucleophilie der Halogenidionen geht in aprotonischen Lösungsmitteln ihrer<br />

Basizität parallel (s. [2.25]).<br />

Der Zusammenhang zwischen Nucleophilie und Basizität ist verständlich, da sowohl in der<br />

nucleophilen Substitutionsreaktion als auch in der Brönsted-Säure-Base-Reaktion das Reagens<br />

Nu als Elektronenpaardonator (Lewis-Base) fungiert. Allerdings wird die Brönsted-Basizität<br />

durch das thermodynamische Gleichgewicht eines Elektronendonators mit dem H - -Ion charakterisiert,<br />

während die Nucleophilie die Reaktionsgeschwindigkeit mit einem mehr oder<br />

weniger positivierten Kohlenstoffatom wiedergibt.<br />

Da nach dem HSAB-Konzept (s. C.4.) Alkylhalogenide und -sulfonate „weiche" Elektrophile<br />

sind (im Gegensatz zum „harten" H - ), reagieren sie leichter mit „weichen" Basen. Darauf<br />

beruht, daß in SN2-Reaktionen weiche, hoch polarisierbare Nucleophile häufig reaktiver<br />

als harte Nucleophile gleicher Basizität sind, z. B.:

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