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Kapitel 3<br />

jedes Volk die ihm ureigenste „Form“ wiederfinde und pflege. Das Wort „Form“, und<br />

das muß hier am meisten verbl ffen, wird in seinen Ausf hrungen mit „Identit t“ gleichgesetzt<br />

(vgl. Hegemann 1948, 29). Was aber hat es nun mit der „deutschen Form“ auf<br />

sich? „W hrend die anderen Nationen des Kontinents l ngst ihre feste Form gefunden<br />

haben und damit definierbar geworden sind als Engl nder, Franzosen, Spanier, Italiener,<br />

sind die Deutschen als Ganzheit ungeformt geblieben“ (29). Dennoch weise alles bei den<br />

Deutschen auf eine „Urform“ 9 hin, die innerlich sei; deshalb sei deutsche Kunst auch<br />

niemals „fertig“ (30). Jetzt aber, verursacht durch den Nationalsozialismus, „kann dieses<br />

erlebte Ende der Anfang eines neuen Lebens im Sinne des menschlichen Urbildes bedeuten“<br />

(59), kann ein Weg zur „L uterung und Formung“ (50) des deutschen Volkes gefunden<br />

werden. Auch hier wird eine „Urform“ ins Spiel gebracht, und zwar wie bei<br />

Domnick dank des Krieges, auch hier wird diese erneute Formung als „L uterung“ begriffen<br />

- oder sollte man mit Mitscherlichs (vgl. 1967, 40) sagen, als „Derealisation“, um<br />

vor der Verantwortung zu fliehen? Hegemann erkl rt den Charakter dieser „Urform“<br />

nicht genauer, gibt aber seiner Hoffnung Ausdruck, daß sich die „Kr fte eines neuen<br />

Weltzeitalters“ in den „unbildhafte[n] Formen“ (1948, 123) in der bildenden Kunst schon<br />

zeigten. „Und gesetzt den Fall, diese kommende Kultur bringt eine Kunst, die bildlos ist,<br />

was nach der letzten Entwicklung der Malerei und Plastik zu erwarten ist, so w re der<br />

Deutsche in ihr in seinem Element, da er das Erbe einer einstigen bildlosen Kunst in sich<br />

tr gt und der Geist jener Kultur nie in ihm zur Ruhe gekommen ist.“ (125) Hegemann<br />

schließt hier sicherlich an Beurteilungen an, die kunsthistorisch nicht haltbar sind,<br />

gleichwohl aber auch in diesem Fachgebiet eine (un)heimliche Tradition seit Anfang des<br />

Jahrhunderts haben (vgl. Larsson 1985). Hier geht es aber im Gegensatz zu dieser Richtung<br />

der Vorkriegskunstgeschichte nicht mehr um das Expressive, Gotische in der<br />

Kunst, 10 sondern um das Ungegenst ndliche, das Bildlose. Hegemann, dessen Buch als<br />

Ph nomen seiner Zeit lesenswert ist, reartikuliert auf diese Weise eine wichtige Verkn -<br />

fung: Er verbindet die kunsthistorische Suche nach dem „Deutschen“ mit einer „Urform“,<br />

die sich in der Ungegenst ndlichkeit zeige. Oder anders gesagt: Er codiert die abstrakte<br />

9 Hegemann meint hiermit die „unbildhafte Liniensprache“ der „germanischen St mme“ (65 f.) im 6.<br />

Jahrhundert. „Der Inhalt dieser Liniensprache war die Vergegenw rtigung seelischer Erlebnisse und<br />

innerer Strebungen mit dem Mittel der sich verflechtenden und wieder l senden Linie.“ (68) In dem<br />

Bezug auf „germanische St mme“ verr t sich Hegemanns enge Verkn fung mit den rassistischen<br />

Ideologien des Nationalsozialismus, den er in seinem Buch andererseits als „Zerrbild des einstigen<br />

Reiches“ (57) ablehnt.<br />

10 Das Gotische in der Kunst schien im Expressionismus verwirklicht. Vgl. hierzu die umfassende Untersuchung<br />

von Bushard 1990.

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