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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 85<br />
(Konflikt), sehnen uns nach einer ber das zuf llige Erlebnis hinausweisenden Ordnung,<br />
nach geistigen Ausblicken, die f r uns in diesem ußerlichen Chaos eine geistige Welt<br />
bedeuten.“ (126) Das darin angesprochene Modell eines neuen Kollektivismus ist<br />
m glicherweise ein Zugest ndnis an die zeitgen ssischen Debatten ber eine neue,<br />
sozialistische Gesellschaftsform, die quer durch alle Parteien und Gesellschaftsschichten<br />
gef hrt wurde, 62 sich aber streng von einer „Vermassung“, die mit dem NS assoziiert<br />
wurde, distanzierte. Domnick geht von dieser neuen Gemeinschaft unter der F hrung der<br />
abstrakten nstlerischen „Genies“ aus, die eng an die skizzierten Reichsutopien der<br />
Vorkriegszeit ankn ft, aber aus der Ablehnung des NS begr ndet wird.<br />
Von einer Abgrenzung von der Gesellschaft, wie sie heute f r die Wieder-Anf nge der<br />
Moderne behauptet wird, kann also 1947 nicht die Rede sein. Vielmehr zielt die Theorie<br />
auf eine Reorganisation der b rgerlich-patriarchalen Gesellschaft. Doch auch an diesem<br />
Punkt scheint Domnick eine Absicherung f r notwendig gehalten zu haben. Sein oligarchisches<br />
Modell von einer genialischen Gruppe aus K nstlern und Rezipienten scheint<br />
dem verhaßten „Intellektualismus“, der schon in der Kulturkritik der Weimarer Republik<br />
eine Rolle spielte, allzu nah zu sein. Anders ist sein explizites Eingehen auf diesen in<br />
seinen Augen ungerechtfertigten Vorwurf nicht zu erkl ren. Er schreibt: Die abstrakte<br />
Kunst „ist aber trotzdem keine intellektuelle Kunst, wie sie oft abf llig beurteilt wird. Wir<br />
sehen nicht die Kunst als Produkt der Erkenntnis. Die<br />
nstlerische Sch pfung [...] l uft<br />
unbewußt ab, der K nstler versucht aber, sich Rechenschaft zu geben.“ (1947, 20) Tats<br />
hlich scheint es Domnick viel mehr um eine moralische statt um eine intellektuelle<br />
Abgrenzung gegangen zu sein: Seine Rezipienten und die der abstrakten Kunst sollen<br />
moralisch und ethisch „rein“ sein vom Nationalsozialismus, vom Expressiven, vom<br />
Weiblichen. 63 Im Zweifelsfall war das durch ein Bekenntnis zur abstrakten Kunst nachzuholen.<br />
Dennoch l ßt sich an der Wahl seiner Argumente ablesen, daß Domnick sich nicht an das<br />
durch den NS „verbildete Volk“ richtete, sondern an mit der Geistes- und Kunstgeschichte<br />
vertraute Vertreter des gebildeten B rgertums. Die Zugeh rigkeit zu der<br />
62 Selbst die CDU proklamierte z. B. 1946 in Berlin: „Wir stehen am Anfang einer Zeitenwende! Das<br />
b rgerlich-kapitalistische Zeitalter ist vorbei! Dem Sozialismus geh rt die Zukunft! Doch wahrer<br />
Sozialismus heißt nicht Kollektivismus, verantwortungsbewußter Sozialismus nicht Vermassung!“<br />
(zit. nach Glaser 1990, 110). Vgl. auch das sog. „Ahlener Programm“ der Partei vom Februar 1947.<br />
63 Barbara Schr dl (1993, 101-103) hat gezeigt, wie sehr dieses Streben nach „Reinheit“ dem Streben<br />
nach „Rassereinheit“ des NS gleicht; Hygienevorstellungen werden bis heute in Deutschland mit bengstigend<br />
großem Ernst perpetuiert, wie Broder (1993) am simplen Beispiel der M lltrennung<br />
gezeigt hat.