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Textdokumentation 233<br />

neue geistige Lebensordnung im Kunstwerk zum Erlebnis werden zu lassen. Das allein macht die Menschen<br />

frei von der bedr ckenden Macht der neuen Dinge. Auf die gleiche Weise hat der sch pferische<br />

mittelalterliche Mensch aus der seelischen Not der f r ihn neuen Welt der beengenden Steinmauern das<br />

hochget rmte Stadtbild seiner Zeit geschaffen, das wir heute als romantisch sch n bewundern. Und zu<br />

allen Zeiten ist es die Aufgabe der Kunst gewesen, wie "St. Hyronimus im Geh us" den L wen, die<br />

d monische Natur zu zwingen, friedlich zu unseren F en zu spielen.<br />

Die moderne Kunst ist schon fr h dem industrialisierten Weltbild begegnet und hat von dorther<br />

seine [sic] st rksten Impulse empfangen. Es darf nicht verwundern, daß sich die Kunst erst allm hlich<br />

an das eigentliche Formproblem heranzutasten vermochte. Man wird es heute kaum noch bezweifeln,<br />

daß die romantisch-sentimentale Begegnung mit der Industrie der Jahrhundertwende keine wahrhafte<br />

Begegnung sein konnte, wenn die Kunst dieser Geisteshaltung die Fabriken als ster und hassenswert<br />

gegen ber bemoosten Burgruinen darstellte. Auch eine gewisse absichtsvolle Heroisierung der Industriearbeit<br />

in der wilhelminischen Zeit mußte das Problem verfehlen. Selbst der Naturalismus, der sich<br />

mit echter Leidenschaft der Welt des Industriemenschen bem chtigte, verengte seine Wesensschau mit<br />

einer, das technische Formproblem ausschließenden Sicht auf die sozialen Begleiterscheinungen. Der<br />

Expressionismus, der den in die technische Welt verkrampften Menschen durchweg negativ sah und<br />

sich andererseits allzu gef hlsselig von den berauschenden Aspekten der Industrielandschaft tragen ließ,<br />

verlor die n chterne Distanz zu den neuen Dingen.<br />

[neue Seite:] Die Ausstellung "Mensch und Form unserer Zeit" konnte darauf verzichten, diese,<br />

schon geschichtliche Entwicklung darzustellen. Sie will versuchen, die geistige Aufgabe der Zeit in<br />

Kunstwerken sichtbar zu machen, welche die industrialisierte Welt als eine unausweichbare Realit t<br />

nehmen und sie in geistigen Griff zu bekommen suchen, indem sie die technischen Kr fte nicht einfach<br />

dem zweckhaft praktischen Leben berlassen, sondern in geformtes Eigenleben bersetzen. In den Werken<br />

der lteren Meister Beckmann und Hofer ist die neue Welt deutlich f hlbar formgebend wirksam,<br />

wenn der "Terror" der Technik auch tragisch erlebt wird. Oskar Schlemmer dagegen ist ganz frei von<br />

seelischen Bedr ckungen und beginnt schon mit der weiter ausgreifenden, federnden Elastizit t der<br />

technischen Formen zu spielen. Das ist der Geist des Dessauer Bauhauses, das den umfassendsten Versuch<br />

unternahm, frei von romantischem Ressentiment, aus der technischen Formenwelt heraus eine<br />

neue, ger umigere und hellere Welt aufzubauen. Die Aufl sung des Bauhauses hat nicht verhindern<br />

k nnen, daß es in seinen Grundgedanken allenthalben s rbar in der deutschen und europ ischen Kunst<br />

weiterwirkte, am sichtbarsten in der heute reich beanspruchten Architektur. Wichtiger als das Weiterwirken<br />

der eigentlichen Bauhausformen erscheint mir der Einfluß dieses einzigartigen Kunstinstitutes<br />

auf die Gesinnung der jungen K nstlergeneration. Logisches Denken wird nicht mehr als frevelhaften<br />

[sic] Einbruch in die geheimnisvolle Sph re des nstlerischen Gestaltungsprozesses betrachtet. Das<br />

subjektivistische Kunstwerk, vor allem das Staffeleibild, hat ganz allgemein, unabh ngig von Qualit t<br />

und Kunstrichtungen an Rang verloren. Das Bild als privates Einzelschicksal wird mehr und mehr zu<br />

einer Randerscheinung. Das Portr t verf llt ebenso wie das, die Pers nlichkeit feiernde Denkmal. Die<br />

junge Generation denkt mehr in den Formen der Gemeinschaft, sie wendet sich von romantischer R ckschau<br />

ab und ffnet sich mit einer befreienden N chternheit den notwendigen Aufgaben der Gegenwart.<br />

Sie nimmt die industrialisierte Welt als eine Gegebenheit an und schafft in der berzeugung, daß das<br />

nstlerische Durchspielen des Generalthemas die Menschen vom Alpdruck einer berm chtig gewordenen<br />

neuen Dingwelt freimachen wird.<br />

So deuten viele Erscheinungen darauf hin, daß die vordringlichen Aufgaben unserer Zeit eine<br />

nstlerische Gemeinschaftsarbeit fordern. Manchmal wird der Gedanke laut, das Dessauer Bauhaus<br />

hier im Westen neu erstehen zu lassen. Es ist aus manchen Gr nden fraglich, ob sich der Gedanke, auch<br />

wenn er den ver nderten Verh ltnissen angepaßt w rde, verwirklichen l ßt. Als dringend notwendig<br />

aber erscheint mir f r das Gebiet der Ruhrindustrie eine echte Werkschule, die sich die Industrie als<br />

konkrete Gesamtaufgabe stellen und sich ebenso die st dtebauliche und verkehrstechnische Organisation

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