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Kapitel 4<br />
schreibt den Radius der berlegungen Schulze Vellinghausens und zeigt, daß es um mehr<br />
geht als nur um eine angepaßte, zeitgem ße sthetik. Die „Grundfigur einer geistigen<br />
Struktureinheit“ sieht er nicht mehr allein in den Kunstwerken verdeutlicht, sondern in<br />
den „Parallelen und Querverbindungen“ der Ausstellung, „aus deren Miteinander und<br />
Zueinander allein sich dem phantasievollen Betrachter das Gesicht einer jeweiligen 'Gegenwart'<br />
herzustellen vermag. So erschien es dieses Mal unumg nglich, vom Prinzip der<br />
reinen Kunstausstellung abzuweichen und auch die Werkformen der Technik, B cher,<br />
Fotos, Hausrat, M bel einzubeziehen.“<br />
Gegen ber den bisher im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Texten ergibt sich hiermit<br />
eine wesentliche Neuerung: Die Kunst wird nur noch als eine von vielen m glichen<br />
„Formen“ behauptet, in denen das „Geistige“ seinen Ausdruck finden kann. Der Alleinvertretungsanspruch<br />
der bildenden Kunst f r das „Geistige“ wird zur ckgenommen, und<br />
die Hierarchie zwischen „hoher“ Kunst und Gebrauchskunst wird abgemildert. 35 Zwar<br />
wird die vorbildhafte Rolle der freien K nste f r die Gebrauchskunst nicht verneint, aber<br />
auch nicht mehr betont - eine Position, die selbst Max Bill, der sich so um das Design in<br />
den 50er Jahren verdient machen sollte, im gleichen Jahr 1952 noch herausstrich (vgl.<br />
Bill 1952, 10). Kunst und die sichtbaren Gegenst nde des Wirtschaftswunders werden<br />
gleichermaßen als Bestandteil einer neuen Formung, Ordnung, Identit t behauptet.<br />
„Form“ bedeutet in dieser Definition nicht mehr etwas ußerliches, von seinem Inhalt<br />
Getrenntes, sondern „Form“ wird unabh ngig von ihrem Ort zur Tr gerin eines<br />
„Geistigen“, einer „Ordnung“ erkl rt, die sich ebenso in der Gebrauchskunst ußern<br />
k nne.<br />
Die Verneinung des damals inflation r benutzten Begriffs der „reinen“ oder „absoluten“<br />
Form (vgl. Wenk 1989) f r die von einer Funktion freigestellten bildenden K nste im<br />
Gegensatz zu der „guten“ Form der an eine Funktion gebundenen Gebrauchskunst erweitert<br />
dar ber hinaus den Mythos von dem sch pferischen K nstler, dem es gegeben sei,<br />
den „objektiven Geist“ unmittelbar umzusetzen. Die „energische“ Formung scheint nun<br />
dem Industriedesigner ebenso m glich wie dem bildenden K nstler. Das bereits vorgestellte<br />
Kreativit tsmodell des abstrakten K nstlers, das die „Formung“ einer neuen Welt<br />
beinhaltete, wird damit tendenziell vom Feld der bildenden Kunst entkoppelt und auch<br />
auf die Herstellung von Gebrauchs tern bertragbar.<br />
35 „Albert Schulze-Vellinghausen [...] schrieb schon 1954 unter dem Titel Kunst und Mode im ersten<br />
Jahresring, daß er die Bilder eines Mondrian, die neuesten Automodelle und die Kleider eines<br />
Christian Dior sthetisch durchaus ebenb rtig finde.“ (Hermand 1989, 282)