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Abstrakte Kunst und Wirtschaftswunder 171<br />
Sp testens seit den Zeiten des Bauhauses, auf das sich die Ausstellung ja auch bezieht<br />
und dessen Konzept in jenen Jahren wieder verst rkt diskutiert wird, 36 bet tigten sich<br />
K nstler bewußt auch im industriellen Design. Auch in den sp ten 40er und fr hen 50er<br />
Jahren beschr nken bildende K nstler ihre Arbeit nicht nur auf die Herstellung von Tafelbildern.<br />
Willi Baumeister zum Beispiel arbeitete vor und auch w hrend des Zweiten<br />
Weltkrieges auch als Gebrauchsgraphiker. 1947 entwarf er ein B hnenbild und Kost me<br />
f r eine Ballettinszenierung im Staatstheater in Stuttgart (Abb. 42). 37 Noch Mitte der<br />
50er Jahre, als er l ngst ein „Star“ der deutschen Kunstszene war, gestaltete er Dekorationsstoffe<br />
f r die Pausa AG (Abb. 43). Auch Fritz Winter entwarf z. B. 1955 eine<br />
Tischdecke Solar aus Weich-PVC f r die Firma G ppinger Plastics (Abb. 44).<br />
Doch trotz des Engagements der K nstler blieb die Grenze zur freien Kunst doch immer<br />
gewahrt und erkennbar; stets wurde betont, daß die bildende Kunst allenfalls das Vorbild<br />
f r Gebrauchskunst sei. Eine Gleichstellung der beiden Arbeitsbereiche war nicht<br />
erw nscht und wurde konsequent vermieden (vgl. Grasskamp 1992, 142 f.): Schon<br />
Kandinsky f rchtete in seinem Traktat ber das Geistige in der Kunst 1911 einen Vergleich<br />
mit Krawatten oder Teppichen (1952, 115).<br />
Die Ausstellung wagt hier also - folgt man der Interpretation Schulze Vellinghausens -<br />
einen Ansatz, der diametral zu den bisherigen Abgrenzungsbestrebungen 38 zwischen<br />
„hoher“ und „angewandter“ Kunst verl uft, indem ein gemeinsamer, bergeordneter<br />
Wert in der „Form“ definiert wird. Die Frage nach dem Verh ltnis von Kunst und Design<br />
ist sichtlich eines der zentralen Themen auch der Ausstellungsinszenierung.<br />
Kunst und Design im Austauschverh ltnis<br />
Boris Groys hat in seiner Studie ber das Neue (1992) das komplizierte Wechselverh<br />
ltnis zwischen „valorisierter Kultur“ und „profanem Raum“ als ein Spielfeld der<br />
Kultur konomie untersucht. Auch im Falle der Recklinghausener Ausstellung wird eine<br />
36 In dem Bericht Der Stil im industriellen Zeitalter von Joachim Sperr in Die Neue Zeitung vom 11.<br />
Februar 1952 anl ßlich der Tagung des Arbeitskreises f r industrielle Formgebung 1952 wird die<br />
Einbeziehung der K nstler in die industrielle Formgebung gefordert. Die 1955 gegr ndete Hochschule<br />
f r Gestaltung in Ulm, deren Konzept 1952 bereits diskutiert wird, bezieht sich explizit auf die<br />
Tradition des Bauhauses (vgl. Bill 1952, 164).<br />
37 Vgl. das Titelbild des Magazins Der Spiegel, Jg. 1, Nr. 44 vom 1.11.1947, und den kurzen Artikel auf<br />
S. 20 ebd.<br />
38 Noch ein Aspekt wird dabei eine Rolle gespielt haben: Die Gegen berstellung von Kunstwerken und<br />
„kunstfremden“ Darstellungen war eines der Mittel, mit dem die Nationalsozialisten in der Aktion<br />
„Entartete Kunst“ die moderne Kunst diffamierten. Vgl. auch Grasskamp 1989, 112-119.