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Abstrakte Kunst und Wirtschaftswunder 159<br />
Die Tatsache, daß die Kohlen f r die Hamburger und K lner B hnen illegal beschafft<br />
wurden, gilt bis heute keinesfalls als anst ig, sondern wird in den Darstellungen als<br />
mutiges Kavaliersdelikt bewundert. Hintergrund ist, daß Bergbau und Montanindustrie in<br />
den Jahren 1946/47 noch streng von den Besatzungsm hten kontrolliert wurden. Zwar<br />
hatte die Produktion von Kohle 1946 schon wieder 51 % des Standes von 1936 erreicht,<br />
doch gleichzeitig waren die Zuteilungen von Kohle an die Bev lkerung in diesem extrem<br />
kalten Winter grausam gering. Statt dessen wurden die Grundstoffindustrie bevorzugt<br />
beliefert und Reparationsleistungen erbracht.<br />
Gerade die Gewerkschaftsfunktion re wußten um diese Zusammenh nge, die ihren damaligen<br />
Bestrebungen zuwiderliefen, die Zechen in Gemeineigentum z berf hren, 21<br />
was von den Milit rbeh rden strikt abgelehnt wurde. Zu den Widerstandsformen der<br />
Bergarbeiter geh rte dabei auch die absichtliche Senkung der F rdermengen (vgl.<br />
Schmidt/Fichter 1971, 12). Die legend re Aktion „Kunst gegen Kohle - Kohle gegen<br />
Kunst“ (Grochowiak 1991, 178) kann man vor diesem Hintergrund ebenfalls als eine<br />
Protestform gegen die Politik der Westalliierten verstehen. Beachtenswert ist, daß die<br />
Kultur - neben Streiks und Resolutionen 22 - als geeignetes Feld erachtet wurde, diesen<br />
Widerstand auch symbolisch zu vollziehen!<br />
Die Motivation zu dieser Aktion erh lt in der g ngigen Darstellung einen anderen Tenor.<br />
Die Gr ndungser hlungen der Ruhrfestspiele heben nicht den politischen Hintergrund<br />
hervor, sondern demonstrieren allein das Interesse der Bergarbeiter an Kultur und weisen<br />
ihr damit einen „Tauschwert“ zu, der - gemessen an den damaligen Schwarzmarktpreisen<br />
- vermutlich außergew hnlich hoch war. 23 Kultur wird also auf die gleiche Ebene<br />
21 „Im Herbst und Winter 1946/47 war die Lebensmittelversorgung im Ruhrgebiet fast llig zusammengebrochen;<br />
trotz des Hungers, der schlechten Wohnverh ltnisse und der llig unzureichenden<br />
Arbeitsausr stung befahl die britische Milit rregierung weitere Sonderschichten zur Steigerung des<br />
Kohlenoutputs f r Reparationszwecke. Bei einer von den Betriebsr ten [...] organisierten Urabstimmung<br />
sprachen sich, im November 1946, 89,9 % der betroffenen Bergleute gegen die Sonderschichten<br />
aus und machten ihre eventuelle Zustimmung von der Sozialisierung der Kohlengruben und von<br />
der 'Volkskontrolle ber die Nahrungsmittelversorgung' abh ngig“ (Schmidt/Fichter 1971, 25).<br />
22 So beteiligten sich beispielsweise am 11.2.47 die Bergarbeiter in Recklinghausen an den sog.<br />
„Hungerstreiks“, die in diesen Monaten die Kohlenf rderung im Ruhrgebiet zeitweise lahmlegten.<br />
Vgl. auch die Darstellung der Streiks und Demonstrationen f r die Sozialisierung der Zechen Anfang<br />
1947 in Schmidt/Fichter 1971, 26 f. Ein Ende fanden diese Demonstrationen erst mit einem strikten<br />
Verbot seitens der Alliierten unter Androhung von harten Sanktionen bis hin zur Todesstrafe.<br />
23 In einer Aufstellung mit Schwarzmarktpreisen vom Dezember 1946 aus Duisburg sind die Preise f r<br />
Kohle leider nicht aufgef hrt. Der Ladenpreis f r einen Zentner Steinkohle lag bei 1,50 RM, die<br />
Schwarzmarktpreise betrugen im Schnitt das 90-fache der regul ren Preise (vgl. Schubert 1986, 143).