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Abstrakte Kunst als Modell einer neuen Ordnung 65<br />
manistischen „klassischen“ Tradition, besitzt darin ein hohes Maß an Authentizit t und<br />
sch pft hieraus ihre Legitimit t und das Potential zur Identit tsstiftung. Domnicks Angebot<br />
kann man auch als eine psychologische Handlungsanleitung zur Definition der innerlichen<br />
„Stunde Null“ lesen: der „Bruch“ wird zwar als Bestandteil dieser Identit t definiert,<br />
aber er liegt so lange zur ck, daß er nicht mehr diskutiert werden muß.<br />
In der Kunstgeschichtsschreibung wurde eine Uminterpretation, wie Domnick sie leistet,<br />
oft als Verlust oder Verrat an der Avantgarde interpretiert. Jost Hermand urteilt: „Die<br />
offizi se bis offizielle Propaganda [sic] dieser gegenstandsfreien Malerei ging meist von<br />
einer bewußten Uminterpretation des Begriffs 'Avantgarde' aus. W hrend sich Teile der<br />
lteren Avantgarde selbst in ihrer sthetischen Formgebung noch als durchaus politisch<br />
oder zumindest gesellschaftskritisch verstanden hatten, wurde jetzt sogar die Avantgarde<br />
zwischen 1910 und 1925 in eine reine Kunstrevolte umgedeutet, der es vornehmlich um<br />
formale Innovationen gegangen sei.“ (1991, 145; vgl. auch Herlemann 1989, 201;<br />
Buchloh 1987) 40 Dieser Vorwurf will f r das Beispiel Domnick nicht richtig greifen.<br />
Zwar ordnet er Teile der Kunstgeschichte neuen Traditionslinien zu und versucht dabei,<br />
den provozierenden Aspekt der Moderne mittels einer historischen Entzerrung zu mildern.<br />
Allerdings erweist sich dieses Vorgehen allein durch die Wahl der Bezugsgr en<br />
und attributiven Zuordnungen (Unordnung vs. Ordnung usw.) in Domnicks Fall als eminent<br />
politisch, und er beschr nkt den Einflußbereich der modernen Kunst keineswegs auf<br />
einen rein sthetischen Bereich! Ganz im Gegenteil scheint seine Interpretation der abstrakten<br />
Kunst mit einem gesellschaftlichen Anliegen bereinzugehen. An dieser Stelle<br />
setzt die zweite diskursive „Geschichte“ Domnicks ein, die diesmal ber den Rahmen der<br />
Kunstgeschichte hinausgeht und das Modell und die Akteure einer neuen Ordnung<br />
visioniert.<br />
Kulturelle Utopie und Kreativit tsmodell<br />
„Die geistige Entwicklung bewegt sich in Richtung zum Abstrakten. Die Auseinandersetzung<br />
mit der abstrakten Malerei ist daher eine Forderung unserer Zeit, nicht so sehr<br />
eine allein nstlerische Angelegenheit.“ (1947, 13) Mit diesem Satz, wirkungsvoll an<br />
den Beginn seiner Ausf hrungen plaziert, ordnet Domnick seine „Idee“ in das Paradigma<br />
40 Benjamin Buchloh schreibt z. B. ber die Nachkriegs-Rezeption der konstruktivistischen Skulptur der<br />
Jahre 1915-1925. Es wurden zahlreiche Zugest ndnisse an das zeitgen ssische Wunschbild von<br />
Geschichte gemacht. „Die Kenntnis der Ideen und Praktiken der russischen und sowjetischen Avantgarde<br />
wurde eliminiert, und die wichtigsten Entwicklungsschritte der Plastik des 20. Jahrhunderts<br />
wurden nun westeurop ischen und amerikanischen K nstlern, der Neo-Avantgarde, zugeschrieben.“<br />
(1987, 336)