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Kapitel 2<br />
Parallele zu der genealogischen Lesweise von „Nation“ als „R ckkehr zu einer urspr nglichen<br />
Wesenhaftigheit“ (Anderson 1996, 196).<br />
Kann, so ist die Anschlußfrage, eine solche Konstruktion der m nnlichen Kreativit t zur<br />
Erlangung einer neuen Identit t mit dem Weltganzen, mit dem „objektiven Geist“, der<br />
selbst die technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften beinhaltet, vermittelt<br />
werden? Ist diese Kreativit t und Identit tsfindung nur das einsame Privileg des<br />
m nnlichen K nstlers, oder hat er die Bef higung, auch andere daran teilhaben zu lassen?<br />
Oder anders gefragt: Ist in den Argumenten Domnicks auch die Ausbildung eines<br />
kollektiven Verst ndnisses von Identit t parallel zur Vorstellung der Nation angelegt?<br />
Codierungs-Rituale -<br />
Das „Gegenst ndliche“ als Gr<br />
dungsopfer einer neuen Ordnung<br />
Silke Wenk (1989; 1996) hat gezeigt, wie moderne K nstler in der nach-faschistischen<br />
Zeit posthum als stellvertretend Leidende dargestellt werden. „Bildhauer, die 'die<br />
Moderne' in Deutschland repr sentieren sollten, wurden (und werden) immer wieder als<br />
nationale M rtyrer artikuliert, die Opfer bringen, die eine (nationale) Erl sung<br />
versprechen.“ (1996, 251)<br />
Die „innere Emigration“ der K nstler evoziert aber zugleich die Vorstellung von ausgew<br />
hlten „Sehern“ (Domnick 1947b, 127), die schon immer alles besser gewußt haben<br />
und damit ihrer Zeit voraus waren, die aber keiner verstehen konnte. „Ihre Kunst f r<br />
Keinen, ihre Kunst als Dienst einzig an der Kunst, all das erweist die Kunst der inneren<br />
Emigration als Teil eines wohl typisch deutschen Kunst- und K nstlerkultes. [...] In der<br />
inneren Emigration der Moderne potenziert sich somit [...] als deutsche Konstante ein<br />
Kunst- und K nstlerbewußtsein, das Leiden wie Stolz an seiner freiwilligen oder aufgezwungenen<br />
Außenseiterrolle in gleicher Weise miteinschließt. Kunst, und insbesondere<br />
die abstrakte, gilt demnach als utopischer Vorschein einer anderen Welt, die wahrer, besser<br />
und reiner als die vorhandene ist.“ (Schuster 1986, 457) Neben dem Mythos vom<br />
K nstler als M rtyrer zeigt sich also eine zweite, entwicklungsgeschichtlich sogar ltere<br />
Variante aus dem Repertoire der K nstlermythen (vgl. hierzu Kris/Kurz 1980; Zilsel<br />
1990; Neumann 1986): der K nstler als vorbildhafter, neue Wege weisender Prophet, 55<br />
den - zun<br />
hst - nur wenige verstehen k nnen bzw. verstehen wollen. Das verkannte<br />
55 Barbara Schr dl (1993, 108) hat darauf hingewiesen, daß die K nstler in dieser Zeit auch explizit als<br />
„Schutzheilige“ oder „Schutzpatrone“ bezeichnet wurden. Sie zitiert hier Wilhelm Boeck: Deutsche<br />
Malerei des zwanzigsten Jahrhunderts. In: Moderne deutsche Kunst, Kunstgeb ude T bingen 1947,<br />
S. 7.