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Kapitel 3<br />

F r die Position der „Kulturnation“ und f r die Stellung der abstrakten Kunst in diesem<br />

Code hatten diese Entwicklungen auf mehreren Ebenen Konsequenzen. Bis zur<br />

W hrungsreform im Juni 1948 hatte das kulturelle Geschehen - wie schon im<br />

vorhergehenden Kapitel beschrieben - eine Hochphase. Die kulturellen Aktivit ten, obgleich<br />

an heutigen Maßst ben gemessen immer noch improvisiert, vernetzten sich enger,<br />

und die Kontrolle der Alliierten lockerte sich auch in diesem Bereich.<br />

Hingegen ist sich die Geschichtsschreibung einig, daß mit der W hrungsreform das große<br />

ffentliche Interesse an der Kultur rapide zur ckging. „Kultur war nunmehr, und auch<br />

noch l ngere Zeit danach, ein 'Ladenh ter'“, schreibt Glaser (1990, 330), zahlreiche der<br />

eben gegr ndeten Zeitschriften seien wieder eingegangen, und etliche Theater und Konzerts<br />

le h tten schließen m ssen. Nachdem ber Nacht pl tzlich alle lang ersehnten Waren,<br />

vor allem Lebensmittel, wieder zu erwerben waren, sei das pl tzlich aufgewertete<br />

Geld lieber f r Gebrauchs ter als f r Konzertkarten oder Ausstellungsbesuche ausgegeben<br />

worden. Diese Einsch tzung st tzt sich allein auf Besucher-, Zuh rer- und Zuschauerzahlen.<br />

Doch die ver nderten volkswirtschaftlichen Verh ltnisse ließen in den<br />

meisten F llen, v llig unabh ngig vom Interesse, keine Wahl zu: Solange der Mangel nur<br />

durch eine arbeitsintensive Subsistenzwirtschaft z berwinden war und Geld keine oder<br />

nur eine kleine Rolle spielte, standen Ausgaben f r kulturelle Veranstaltungen nicht in<br />

Konkurrenz zu denen f r Nahrungsmittel und Verbrauchs ter. Nach der W hrungsreform<br />

bedeutete hingegen jede ausgegebene D-Mark f r Konzertkarten eine D-Mark<br />

weniger f r die berlebenswichtige Grundversorgung. Obgleich also mit der beginnenden<br />

Reorganisation der Volkswirtschaft - von wirtschaftlichem Aufschwung kann man f r die<br />

Jahre 1948/49 noch nicht reden - aus gutem Grund die Ausgaben f r Kultur zur ckgingen,<br />

blieben die großen Erwartungen an diesen Bereich als Ort der Sublimation doch<br />

konstant. So erbosten sich die Menschen nach der W hrungsreform z. B. nicht ber die<br />

vorangegangenen Hortungsaktionen der Wirtschaft, sondern ber die Abbildung auf der<br />

ersten neuen Banknote. Auf dem F nf-DM-Schein „ritt eine halbnackte 'Europa' auf dem<br />

R cken eines stilisierten Stiers, die Sonne in der rechten Hand, das Knie leicht verschleiert,<br />

den Busen unverh llt, der Zukunft entgegen. Kriti bte man auch am 'Liniengewirr'<br />

in Picasso-Manier.“ (Glaser 1990a, 62; vgl. auch Borngr ber 1985, 225 f.) Die<br />

Bedeutung der Kultur scheint also keineswegs nur „eine Kompensationserscheinung zum<br />

versagten Materialismus“ (Glaser 1990, 332) gewesen zu sein, wie sp ter etliche Kritiker<br />

urteilten, sondern stellte im Rahmen des reinstallierten Codes „Kulturnation“ nach wie<br />

vor eine kollektive identifikatorische Basis dar. Dieser Code wurde in den Jahren

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