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Textdokumentation<br />
akt, der prim r nichts mit dem Intellekt zu tun hat. Eingebungen im Sinne einer sch pferischen Konzeption<br />
und intuitive Erkenntnisse spielen zwar auch in der Wissenschaft eine Rolle. W hrend aber das<br />
Entscheidende in der Wissenschaft die exakte Forschung und das kritische Denken ist, finden wir in der<br />
Kunst dagegen das intuitive Schaffen als wesentlich, wobei erst sekund r Eigenkritik und Theorie einsetzen.<br />
Der K nstler bedarf der Phantasie, ohne sie w re er blutleer und kalt. Der Wissenschaftler darf<br />
ihr aber nicht verfallen.<br />
Ein K nstler kann sich zwar wissenschaftlich bet tigen (z. B. Goethe), er kann auch Theorien<br />
entwickeln, seine Kunstgesetze wissenschaftlich verankern [Seite 122:] (Kandinsky, H lzel), aber das<br />
sind letztlich nicht die Eigenschaften, die den K nstler ausmachen. Das Wesen des K nstlers liegt nicht<br />
im Intellekt, in der Hirnrinde verankert, sondern viel eher in der Pers nlichkeit, in tieferen Hirnregionen.<br />
Die intellektuellen Begabungen k nnen sogar beim K nstler schlecht entwickelt sein. Die nstlerische<br />
Leistung wird dadurch zwar gef rbt, aber wertm ßig nicht beeintr chtigt. Ja, es ist sogar manchmal<br />
nachteilig, wenn das begriffliche Denken beim K nstler zu stark entwickelt ist. Beides vertr gt sich<br />
nicht recht miteinander. Der sch pferische Akt kann nicht etwa auf Grund von Theorien und Ueberlegungen<br />
entwickelt werden. Es gibt keine allgemein ltigen Gesetze, nach denen ein Bild entworfen<br />
werden kann. Jeder kann berhaupt nur immer seine eigenen Kunstgesetze aufstellen, sozusagen als<br />
Resum des Werkes, das prim r intuitiv entsteht.<br />
Eine sch pferische Idee kann auftauchen, wo sie will. Sie ist weder an Wissenschaft, Kunst, Religion<br />
oder Philosophie gebunden. Erst die spezifische Art der Durcharbeitung (exakt-wissenschaftlich,<br />
formal- nstlerisch, mystisch-religi s oder philosophisch im umfassenden Sinne) entscheidet ber die<br />
bestimmte geistige Kategorie. Was dem Wissenschaftler als geniale Konzeption zuf llt, ist aber noch<br />
nicht Wissenschaft im strengen Sinne. Es kann vorkommen, daß eine große Konzeption von ihrem<br />
Sch pfer nicht exakt durchdacht, ausgebaut und in verst ndlicher Weise formuliert wird. Solche versponnenen<br />
Ideen k nnen sp ter von klareren (vielleicht weniger genialen) K pfen aufgegriffen und<br />
wissenschaftlich verarbeitet werden. Die wissenschaftliche Konzeption, die ja der Theorie auch meist<br />
vorangeht im Sinne eines "Vorwissens" dunkler Art, wir ber den Weg der gedanklichen und sprachlichen<br />
Ausarbeitung in Form gebracht, weil unser intellektuelles Schaffen an die Sprache gebunden ist<br />
und der logische Denkakt sich erst durch die gestaffelten Funktionen des motorischen Handelns (im<br />
Sinne des Experiments) und Aussprechens (im Sinne der Formulierung) progredient zur reinen gedanklichen<br />
Abstraktion entwickelt. Das nstlerische Schaffen ist dagegen an die Form gebunden, ein handelndes<br />
Sprechen mit den malerischen Mitteln; es entsteht kurzschl ssig, unter Ueberspringung der<br />
logischen Gedanken- und Arbeitsweise des Wissenschaftlers, dem Schaffenden unbewußt. Das ist ein<br />
grunds tzlicher Unterschied zwischen wissenschaftlichem un nstlerischem Schaffensprozeß.<br />
Die unbewußt sich abspielenden geistigen Vollz e, die wir mit Intuition bezeichnen, entwickeln<br />
sich um so leichter, je freier der Betreffende nicht nur von Vorurteilen, sondern auch Wissens tern und<br />
theoretischen vorgefaßten Meinungen ist - zum mindesten im Moment der Intuition. Die st ndige geistige<br />
Anspannung und der dauernde Kontakt mit geltenden Theorien und Kenntnissen stellt einen<br />
Ueberbau dar, der die intuitiven geistigen Vollz e hemmt. Darauf beruht ja die "sch pferische Pause",<br />
daß der Kontakt gel st wird, die M glichkeit des "sich-wunderns" ber bisher selbstverst ndlich hingenommene<br />
Erscheinungen auftritt und pl tzlich neue Zusammenh nge gesehen werden. Gerade in umw<br />
lzenden Zeitabschnitten, die unser gesamtes Wissens- und Erfahrungsgut vor neue Perspektiven stellen,<br />
sind intuitive [Seite 123:] Faktoren entscheidend. Sie entwickeln sich am besten zu Zeiten des Umbruchs,<br />
weil hier durch das Wegschwemmen atavistischer Begriffe oder gebundener Traditionen die<br />
Voraussetzungslosigkeit ver nderter Lebensformen den nstigsten Boden f r neue Erkenntnisse bereitet.<br />
Deswegen entstehen auch in unruhigen Zeiten neue geistige un nstlerische Probleme. Der Samen<br />
wird gelegt, um in ruhigen Zeiten aufzugehen. Aber wichtiger als das Aufgehen ist doch die Samenlegung;<br />
daß dies meist zu unruhigen oder kriegerischen Zeiten geschieht, l ßt den Satz Heraklits verste-