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182<br />

Kapitel 4<br />

Altbourgeoisie, die um 1950 unter 'Kunst' noch immer etwas Bedeutsames, Erbauliches,<br />

Gekonntes oder Repr sentatives verstand. Gekauft wurden deshalb solche Bilder weniger<br />

von den alten Sammlern [...] als von den progressionsbetonten Vertretern des westdeutschen<br />

Wirtschaftswunders, die sich mit dem Flair des 'Modernen' umgeben wollten.“<br />

(1991, 155) 47<br />

Der Maler Westpfahl bezeichnete die abstrakte Kunst in der Form der „Mode“ schon<br />

1950 als „einzige Volkskunst unserer Gegenwart.“ (in Evers 1951, 212) ber die Akzeptanz<br />

„moderner“ Formen im Design und in der Gebrauchskunst bestand also unter den<br />

Theoretikern kein Zweifel, und diese Popularit t wollte man auch auf die Kunstwerke<br />

bertragen sehen.<br />

Die Ausstellung Mensch und Form unserer Zeit l ßt sich also als ein Versuch werten, die<br />

abstrakte Kunst nicht mehr nur als Signifikant der „Kulturnation“, sondern auch als<br />

Signifikant der „Wirtschaftsnation“ durch eine Gemeinsamkeit in der sthetischen Visualisierung<br />

zu installieren. Die gemeinsame Schnittmenge „Form“ erm glichte einen Perspektivenwechsel,<br />

der in der Ausstellung und in dem sie begleitenden Katalog bereits<br />

angelegt ist. Die Verschwisterung bringt f r beide Seiten einen Vorteil, indem der jeweils<br />

profane Bereich in den valorisierten Einzug h lt: Die abstrakte Kunst, als valorisierter<br />

Bereich verstanden, hat auf diese Weise an der identifikatorischen Kraft und Unmittelbarkeit<br />

der wirtschaftlichen Expansion teil. Die Gebrauchs ter, aus der anderen<br />

Perspektive einer anderen Zielgruppe ebenfalls ein valorisierter Bereich, bem htigen<br />

sich der identifikatorischen Kraft der Kultur samt ihrem auf H heres verweisenden<br />

Hintergrund (vgl. Groys 1992, 101).<br />

Der modernen Kunst erschließt sich auf diese Weise in einer erstarkenden oberen Mittelschicht<br />

ein neuer und wesentlicher Anh ngerkreis: Zwar verlor die konservative Bourgeoisie<br />

in der Nachkriegszeit ihren Stellvertreteranspruch als „Siegelbewahrer der geistigen<br />

G ter der Nation“ (Hermand 1989, 487), ihre Ideale - die Kunst solle Ordnung<br />

schaffen, konstruktiv und sch pferisch sein, Trost und Lebenshilfe spenden - waren aus<br />

diesem Grunde aber bei weitem nicht obsolet. Als „kulturelles Kapital“ im Sinne Pierre<br />

Bourdieus (1982) wurden sie in ihrer erneuerten Version f r eine neue, finanzkr ftige<br />

Zielgruppe interessant. Die Zustimmung zur modernen Kunst bedeutete jetzt nicht mehr<br />

47 Eine Auswertung seitens der Galerien fand erst 1957 statt, also zu einem Zeitpunkt, als bereits der<br />

Tachismus im Vordergrund stand. Warnke berichtet, daß hierbei „ganz neue K uferschichten in Erscheinung<br />

traten: Chemiker, Betriebsdirektoren, Versicherungsmanager und Elektroingenieure.“<br />

(1985, 214)

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