Download (8Mb)
Download (8Mb)
Download (8Mb)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Deutsche“ Kunst nach 1945 25<br />
Auch dieser Argumentationsstrang, ob f r oder gegen die abstrakte Kunst eingesetzt,<br />
geht davon aus, daß die Kunst mehr als nur nstlerische Botschaften vermittelte, aber<br />
auf welcher Basis? Kunst bildet Wirklichkeit niemals ab, sondern interpretiert sie stets.<br />
Die fehlende Mimesis der abstrakten Kunst wird nur durch die Konstruktion eines neuen<br />
Wirklichkeitsbezugs berdeckt und ersetzt, wenn man in ihr nun „Freiheit“ versinnbildlicht<br />
sieht.<br />
Die latente Thematik des „Deutschen“ in der Kunstdebatte<br />
Die Frage nach dem „Deutschen“ in der modernen Kunst besch ftigte die Akteure des<br />
kulturellen Betriebs sp testens seit der Jahrhundertwende. Durch den Nationalsozialismus<br />
erhielt diese Diskussion eine neue Brisanz. Vor allem der Expressionismus, aber<br />
auch zuweilen die abstrakte Malerei wurden den Nationalsozialisten als neue deutsche<br />
Kunst angepriesen, wenn auch ohne Erfolg. Die Frage nach den nationalen Qualit ten<br />
der modernen bildenden Kunst war also nach 1945 keine neue, und in der jungen DDR<br />
wurde sie auch diskutiert. berraschend ist in der historischen berschau vielmehr, daß<br />
ausgerechnet in der Debatte um die abstrakte Malerei nach 1945 angeblich kein Bezug<br />
darauf genommen wurde.<br />
Doch die skizzierten Argumente sind auf vielerlei Weise mit der Frage nach dem<br />
„Deutschen“ in der Kunst verschr nkt. Dies zeigt sich vor allem, wenn man die Ursachen<br />
f r die sp teren Vorw rfe als - im damaligen Verst ndnis - m gliche Vorteile zu begreifen<br />
versucht. Sollte man nicht die Definition der abstrakten Kunst als international und<br />
freiheitlich als Strategie verstehen, um eine bewußte Distanz zu der NS-Vergangenheit<br />
zu demonstrieren, und nicht als bloßes Ablenkungsman ver? Den Kanon „einer radikal<br />
individualistischen, experimentellen, vor allem aber westlichen Kunst“ habe „die Ausstellung<br />
'Entartete Kunst' im Negativ hinterlassen“, urteilt Walter Grasskamp (1989, 141;<br />
vgl. auch Bussmann 1986). „Die Duldung der modernen Kunst trotz fortbestehender<br />
Widerst nde und ihre F rderung durch ffentliche Mittel wurden zum Lackmustest f r<br />
Toleranz und Pluralismus.“ (Grasskamp 1989, 137) War die abstrakte Kunst gefragt,<br />
weil sie f r die gew nschte, angestrebte Demokratie stand oder stehen sollte? Barg sich<br />
in diesen Definitionen nicht gerade die M glichkeit einer neuen, positiven Identit t?<br />
Die Entwicklung hin zur ungegenst ndlichen Kunst in den 50er Jahren wird als Internationalisierung<br />
37 bzw. aus der Gegenperspektive als Kolonialisierung durch die USA<br />
37 Mit „Internationalit t“ - und dieser Aspekt wurde in Deutschland erst seit den sp ten 80er Jahren<br />
unter dem Schlagwort Eurozentrismus zum Thema - ist allerdings nur die westliche Welt gemeint.